Die Ampel-Koalition ist an Konflikten über die zukünftige Haushalts- und Wirtschaftspolitik zerbrochen. Ein Streitpunkt waren Fragen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland, darunter auch zur Reduzierung der bürokratischen Belastung für Unternehmen. Dabei hatte die Regierung noch kurz vor dem Koalitionsende das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) verabschiedet, das durch Maßnahmen wie verkürzte Aufbewahrungsfristen und weniger strenge Formerfordernisse im Zivilrecht bürokratische Erleichterung bringen sollte. Die Befragungsergebnisse des GBP zeigen, dass diese Bemühungen jedoch aus Sicht der Wirtschaft zu kurz greifen: Nur 10 % der Unternehmen rechnen mit einer spürbaren Entlastung durch das BEG IV, während 69 % lediglich geringe Effekte erwarten. Dies ist auch dadurch zu erklären, dass viele Unternehmen die Hauptursache ihrer bürokratischen Belastung gar nicht in den Gesetzen selbst, sondern in deren Umsetzung durch die Behörden sehen. Darüber hinaus nehmen neue Dokumentationspflichten, besonders in Nachhaltigkeits- und Lieferkettenfragen, zu und werden regelmäßig als Hemmnis für Investitionen genannt.
Aktuelle Trends im Überblick
Als langfristiges Befragungspanel analysiert das German Business Panel (GBP) die betriebswirtschaftlichen Einschätzungen und Erwartungen von Unternehmen in Deutschland.
Die betriebswirtschaftlichen Indikatoren entwickeln sich im dritten Quartal 2024 negativ. Die erwartete Gewinnveränderung sinkt relativ zum zweiten Quartal 2024 um -2,01 Prozentpunkte. Im Mittel liegen die prognostizierten Gewinne für das laufende Kalenderjahr damit deutlich auf Schrumpfungskurs. Gleichzeitig bleibt das aktuelle Marktumfeld angespannt: Die durchschnittliche Ausfallwahrscheinlichkeit steigt im Vergleich zum zweiten Quartal 2024 um +1,68 Prozentpunkte. Zuletzt sinkt auch die Zufriedenheit mit der Wirtschaftspolitik im dritten Quartal 2024 um -0,05 Punkte. Die Einschätzung liegt damit deutlich unterhalb von drei Punkten auf einer Skala von null (sehr unzufrieden) bis zehn (sehr zufrieden).
Hintergrund: BEG IV
Am 26. September 2024 verabschiedete der Bundestag das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV), das mit über 60 Maßnahmen die deutsche Wirtschaft jährlich um fast eine Milliarde Euro entlasten soll. Eine der zentralen Regelungen ist die Verkürzung der Aufbewahrungsfrist für Buchungsbelege von zehn auf acht Jahre. Für von der BaFin beaufsichtigte Unternehmen – vor allem im Hinblick auf laufende Cum-Ex-Ermittlungen – gilt jedoch eine Ausnahme: Hier wird die verkürzte Frist erst nach einer Übergangszeit von einem Jahr wirksam, um aktuelle Verfahren nicht zu gefährden.
Zusätzlich umfasst das BEG IV die Reduktion von Schriftformerfordernissen im Zivilrecht, was digitale Prozesse ohne Papierunterschriften ermöglicht, sowie die elektronische Bereitstellung von Steuerbescheiden und anderen Verwaltungsakten. Insgesamt soll so die bürokratische Last für Unternehmen in Deutschland deutlich gesenkt und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft gestärkt werden.
Die Hoffnungen auf spürbare Entlastung durch das BEG IV sind gering
Von dem im September 2024 verabschiedeten Vierten Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) erhofft sich die Bundesregierung positive Impulse für die deutsche Wirtschaft und eine spürbare Reduktion des bürokratischen Aufwands für Unternehmen. Die Unternehmen selbst bleiben jedoch skeptisch: Nur 10 % rechnen mit einer deutlichen Entlastung, während 69 % lediglich geringe Effekte erwarten. Besonders zurückhaltend zeigen sich das Verarbeitende Gewerbe, das Gesundheitswesen, das Baugewerbe und der Handel. Im Gastgewerbe hingegen erwarten immerhin 22 % der Unternehmen merkliche Erleichterungen. Ein Grund hierfür könnte die geplante Anpassung der Hotelmeldepflicht für deutsche Staatsangehörige sein, die zumindest für einen Teil der Gastbetriebe eine spürbare Entlastung verspricht.
Für Unternehmen sind nicht nur die gesetzlichen Anforderungen, sondern auch die behördlichen Prozesse ein Treiber von Bürokratie
Die verhaltene Bewertung des BEG IV seitens der Unternehmen lässt sich teilweise durch die Belastungen erklären, die der Umgang mit staatlichen Behörden verursacht. Bürokratie resultiert nämlich nicht nur aus den Gesetzen selbst, sondern oft auch aus deren praktischer Umsetzung durch Behörden. So berichten 57,9 % der Unternehmen, dass ihre bürokratische Last sowohl durch gesetzliche Vorgaben als auch durch deren behördliche Anwendung entsteht. Sogar 21,1 % der Befragten sehen die Hauptquelle ihrer Bürokratiebelastung vorrangig in der Interaktion mit Behörden. Besonders häufig bemängelt werden wiederholte Dateneingaben, die fehlende Vernetzung zwischen Behörden, der Rückstand bei der Digitalisierung und langwierige Verwaltungsverfahren.
Die wirtschaftlichen Folgen der Bürokratielast sind dabei erheblich: Unternehmen schätzen, dass der Abbau von Bürokratie durchschnittlich eine Gewinnsteigerung von 16,9 % ermöglichen könnte. Unternehmen, die den Umgang mit Behörden als Haupttreiber der Bürokratie betrachten, geben sogar an, dass ihnen dadurch potenziell 19,6 % an Gewinn entgehen. Demgegenüber schätzen Unternehmen, die vor allem die gesetzlichen Anforderungen als bürokratische Belastung wahrnehmen, diesen Wert auf 14,7 %. Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass ein wirksamer Bürokratieabbau nicht nur Anpassungen der gesetzlichen Vorgaben, sondern auch eine Reform der Verwaltungsabläufe erfordert – mit einem erheblichen Potenzial zur Gewinnsteigerung für Unternehmen.
Die Bürokratielast im Zusammenhang mit Steuern und Sozialabgaben ist besonders hoch
In der Analyse der größten Bürokratietreiber für Unternehmen zeigt sich, dass besonders der Verwaltungsaufwand rund um Steuern und Sozialabgaben als erhebliche Belastung wahrgenommen wird. Für 50,1 % der Unternehmen stellen steuerliche Vorschriften sogar die Hauptursache bürokratischer Belastung dar, und 68,1 % zählen die Anforderungen im Bereich der Sozialversicherung (z. B. Dokumentationspflichten für Krankenkassen) zu den drei wichtigsten Faktoren, die zu Bürokratie im Unternehmen führen. Arbeitsrechtliche Anforderungen werden an dritter Stelle als Bürokratietreiber genannt, gefolgt von den Verpflichtungen im externen Rechnungswesen. Weniger relevant sind hingegen Regelungen im Umwelt- und Ausländerrecht. Innerhalb des Steuerbereichs fallen insbesondere die für alle Rechtsformen geltenden Steuerarten der Gewerbesteuer (62,2 %) und die Umsatzsteuer (60,0 %) als ressourcenintensiv auf.
Neue Berichtspflichten bedeuten bürokratischen Mehraufwand auch für kleinere Unternehmen
Die jüngsten Erweiterungen der Berichtspflichten, insbesondere durch die Einführung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG), haben den administrativen Aufwand im externen Rechnungswesen deutscher Unternehmen zuletzt maßgeblich erhöht. Obwohl Schwellenwerte kleinere Unternehmen vor unverhältnismäßigem Aufwand schützen sollen, wirken sich die Berichtspflichten großer Unternehmen oft auch auf kleinere Betriebe aus. Dies geschieht zum Beispiel, wenn kleinere Unternehmen als Zulieferer in der Lieferkette Daten an größere Unternehmen weitergeben müssen. Die Daten des GBP stützen diese Beobachtung: 30 % der Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden, die direkt dem LkSG unterliegen, empfinden dieses Gesetz als bürokratische Hürde. Bemerkenswerterweise berichten auch 35 % der Unternehmen unterhalb der Schwelle von 1.000 Mitarbeitenden von ähnlichen Belastungen. unterhalb der Schwelle von 1.000 Mitarbeitenden von ähnlichen Belastungen.
Die Auswirkungen dieser Bürokratie durch Dokumentationspflichten nach der CSRD und dem LkSG sind erheblich. Im Durchschnitt geben 56,4 % der Unternehmen an, dass der bürokratische Aufwand in den letzten zwei Jahren dazu geführt hat, dass geplante Investitionen nicht umgesetzt wurden. Bei Unternehmen, die speziell Bürokratie durch Lieferkettenregelungen oder Nachhaltigkeitsberichterstattung beklagen, steigt dieser Wert sogar auf 66 %. Auffällig ist auch, dass die bürokratische Belastung durch Dokumentationspflichten in Lieferketten zu Effekten führen kann, die den Zielen des Gesetzes widersprechen: So haben 21,8 % der betroffenen Unternehmen in den letzten zwei Jahren Projekte ins Ausland verlagert, verglichen mit nur 10,1 % der Unternehmen, die keine bürokratische Belastung durch das LkSG oder die CSRD wahrnehmen.
Teilen Sie die Einschätzungen und Erwartungen der befragten Expertinnen und Experten? – Diskutieren Sie mit!
Kommentieren