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Debattenbeitrag

Die Kostenrechnung: Von universell und statisch zu individuell und dynamisch

| 3 Min. Lesezeit

Steffen Menze

Leiter Controlling & Rechnungswesen I GESIS - Gesellschaft für Informationssysteme mbH (ein Unternehmen der Salzgitter Gruppe)
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Angesichts einer Entwicklung der Märkte hin zu individuellen und sich dynamisch verändernden Produktangeboten sowie Produkten mit kombinierten Dienstleistungen stoßen die tradierten Kostenrechnungssysteme zunehmend an ihre Grenzen. Digitalisierung und Big Data bringen einen wegweisenden Technologiefortschritt mit sich, der im Finanzbereich hohe Erwartungen weckt: insbesondere im Controlling werden sich effizientere Prozesse, qualitativ hochwertigere Daten und eine bessere Unterstützung bei der Entscheidungsfindung versprochen. Aber mit welcher Methode? Und mit welcher digitalen Technologie? Bei der Beantwortung dieser Fragen ist es interessant, einen Blick auf die relative Einzelkostenrechnung zu werfen.

Kurzimpuls

Digitale Technologien geben dem Rechnungswesen wichtige Impulse und eröffnen neue Anwendungsfelder. Von besonderer Bedeutung ist dabei das Zusammenspiel von Technologie und Methodik. Nur eine konsequente Kombination beider ermöglicht es letztlich, die Erwartungen an die Digitalisierung im Finanzwesen zu erfüllen und einen Mehrwert für das Unternehmen zu generieren. Theoretisch fundierte Konzepte wie die relative Einzelkostenrechnung können dies unterstützen. Gelingt dies, kann die Kostenrechnung von einem universellen und statischen Informationssystem zu einer individuell gestaltbaren und dynamisch agierenden „datengetriebenen Kostenrechnung“ ausgebaut werden.

Das Konzept der relativen Einzelkostenrechnung entwickelte Paul Riebel bereits in den 1950er Jahren speziell für die praktische Anwendung in Unternehmen mit Kuppelproduktion. Es ist ein Teilkostenrechnungssystem, wobei Kosten und Erlöse nur dann erfasst werden, wenn sie (letztlich) mit Auszahlungen bzw. Einzahlungen verbunden sind. Kern des Systems stellen parallel zueinander aufgebaute Hierarchien dar, deren Ästen relevante Erlös- und Kosteninfomrationen zugeordnet werden. Die Zuordnung dieser einzelnen Erlös- und Kostenpositionen in Form von Deckungsbeiträgen erfolgt nach dem Identitätsprinzip, d.h. Kosten und Leistungen dürfen nur dann einem Bezugsobjekt auf einer Hierarchiestufe zugeordnet werden, wenn sie das Ergebnis identischer Entscheidungen sind. Die umsetzungsbezogene Logik ist dann recht einfach: Ausgehend von der untersten Ebene einer Hierarchie wird geprüft, ob Kosten oder Erlöse eindeutig einem Ast zugeordnet werden können. Ist dies nicht der Fall, muss die nächsthöhere Ebene geprüft werden und so weiter. Positionen, die der untersten Ebene zugeordnet werden können, stellen dann Einzelkosten (-erlöse) dar. Werden sie höheren Hierarchieebenen zugeordnet, werden sie als Gemeinkosten (-erlöse) angesehen. Das Verfahren wird jedoch komplexer, wenn mehrere Hierarchien existieren, da dann Erlös- und Kostenpositionen mehrfach zugeordnet werden können. Nehmen wir als Beispiel das Gehalt eines Produktmanagers: Es kann als Einzelkosten einer nach Produkten aufgebauten Bezugsobjekthierarchie oder als Gemeinkosten einer nach regionalen Gesichtspunkten aufgebauten Bezugsobjekthierarchie sein.

Die relative Einzelkostenrechnung ist über Jahrzehnte hinweg in der Wissenschaft vor allem wegen ihres überhöhten Absolutheitsanspruchs sehr kontrovers diskutiert worden. In der praktischen Umsetzung entpuppte sich der sehr hohe Aufwand bei der Datenerfassung als größte Herausforderung. Jeder einzelne Buchungsbeleg – einschließlich der Belegpositionen – muss geprüft und kann in der Regel mehreren Hierarchien zugeordnet werden. Selbst bei kleinen Unternehmen betrifft dies nicht selten mehrere Tausend Belege pro Monat. Die Anwendung der relativen Einzelkostenrechnung ist daher in der Vergangenheit schon aufgrund der technologischen Hürden bei der Datenerfassung und -verarbeitung unterblieben und das theoretische Konzept im Laufe der Jahre zunehmend in Vergessenheit geraten.

Die heute zur Verfügung stehenden Ansätze des Machine Learning bieten weiterführende Möglichkeiten an, um insbesondere die Datenerfassung effizienter und differenzierter zu gestalten.

Im Lichte der neuen digitalen Technologien betrachtet, stellt sich die Praktikabilität der relativen Einzelkostenrechnung anders dar. Die heute zur Verfügung stehenden Ansätze des Machine Learning bieten weiterführende Möglichkeiten an, um insbesondere die Datenerfassung effizienter und differenzierter zu gestalten. So kann die Datenerfassung von einem Algorithmus übernommen werden, der darauf „trainiert“ ist, Buchhaltungsbelege (Positionen) selbstständig verschiedenen Bezugsobjekthierarchien zuzuordnen. Dies führt zu einem Selbstlern-Effekt: Neu gewonnene (statistische) Erkenntnisse werden kontinuierlich in das Modell eingearbeitet, um es zu verbessern. Ein weiterer Vorteil ist die Live-Berichterstattung: Während die Ergebnisse der Kostenrechnung bisher nur zeitverzögert zur Verfügung standen, ist nun ein Live-Reporting möglich. Selbst bei komplexen Fragestellungen kann mit spezifischen Werten bis hinunter zum Ursprungsbeleg agiert werden. Die Datenqualität ist entsprechend hoch und das Rechnen mit Duchschnittswerten rückt in den Hintergrund. Letztlich lassen sich Problemfelder traditioneller Kostenrechnungssysteme überwinden und die Entscheidungsunterstützung durch das Controlling forcieren.

Ja, die digitale Transformation bietet viele Chancen für den Finanzbereich. Aber eines sollte am Ende klar sein: nur wenn Technologie und Methodik Hand in Hand gehen.

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Digitale Technologien und die Wiederentdeckung der relativen Einzelkostenrechnung nach Riebel

Aufsatz | 6 Seiten
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