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Debattenbeitrag

Steuerwettbewerb als Chance

Kirsten Birnbaum

bis 08/2024 Leiterin Konzernsteuerabteilung | SAP SE
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Jost Heinrich Heckemeyer

Unternehmensrechnung und Unternehmensbesteuerung | Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und ZEW Mannheim
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Annette Linau

Global Head of Tax | Evonik Industries AG
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Caren Sureth-Sloane

Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Betriebswirtschaftliche Steuerlehre | Universität Paderborn und WU Wien
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Der internationale Steuerwettbewerb wird nach wie vor intensiv geführt. Viele Länder positionieren sich über die fortdauernde Senkung ihrer Unternehmenssteuersätze im internationalen Standortwettbewerb um Investitionen und Unternehmensansiedlungen. Anders Deutschland, wo hohe Steuersätze und eine Mischung aus Steuerkomplexität, Steuerrisiken und hohen Befolgungskosten die Wirtschaft belasten.

Kurzimpuls

Im internationalen Steuerwettbewerb senken viele Staaten fortdauernd ihre Steuersätze, um als Investitionsstandorte attraktiv zu bleiben. Währenddessen verharrt Deutschland bei hohen Steuersätzen und verliert an Wettbewerbsfähigkeit. Eine hohe Steuerlast gepaart mit einer Mischung aus Steuerkomplexität, Steuerrisiken und hohen Befolgungskosten belastet die Wirtschaft. Um konkurrenzfähig zu bleiben, muss Deutschland seine Steuerpolitik reformieren, Bürokratie abbauen und die Digitalisierung u.a. von Veranlagungsverfahren und administrativen Prozessen vorantreiben sowie effiziente Betriebsprüfungen fördern.

Symptome des internationalen Steuerwettbewerbs

Der internationale Steuerwettbewerb spielt eine wichtige Rolle für die Ansiedlung von Unternehmen und Investitionen. Seit Jahren senken viele Staaten ihre Steuersätze, um sich als attraktive Investitionsstandorte zu positionieren. Häufig werden eher kleine Volkswirtschaften als die treibenden Akteure des Steuerwettbewerbs betrachtet, da sie von einer Steuersatzsenkung die relativ höchsten Zuwächse an Wirtschaftsaktivität und damit auch an Steueraufkommen erwarten. Die Steuersatzsenkungen in Frankreich bis 2022 und im Vereinigten Königreich in den Jahren 2011 bis 2022 zeigen jedoch, dass auch große Volkswirtschaften sich aktiv am internationalen Steuerwettbewerb ausrichten. Dies spiegelt sich etwa in sinkenden effektiven Durchschnittssteuersätzen (EATR) in der EU von 29% (1998) auf 18,6% (2023) wider.

Entwicklung der Durchschnittssteuersätze für Kapitalgesellschaften in Deutschland relativ zu EU, Vereinigtem Königreich und USA, 1998-2022.

Eigene Darstellung, Quelle: ZEW Mannheim, Daten für USA sind erst ab 2005 verfügbar.

Deutschland nimmt währenddessen durchgängig die Position eines Hochsteuerlandes ein. Die im Jahr 2008 erfolgte Körperschaftsteuersatzsenkung auf 15% wirkte sich zwar vorübergehend vorteilhaft auf die deutsche Position im Standortwettbewerb aus. Neuerdings ist Deutschland aber mit 28,5% (2023) wieder der steuerliche Spitzenreiter in Europa. Seit dem Jahr 2018 sorgt auch der Blick in die USA nicht mehr für Beruhigung, denn seither unterschreitet die dortige Steuerbelastung das hiesige Niveau deutlich.

Deutschland nimmt währenddessen durchgängig die Position eines Hochsteuerlandes ein.

Neben der Entwicklung der Steuersätze ist auch die Anzahl der Steuersatzsenkungen bzw. der Steuersatzerhöhungen in der EU, dem Vereinigten Königreich und den USA Symptom des internationalen Steuerwettbewerbs. Dies ist insbesondere deshalb interessant, weil die vergangenen Jahre geprägt waren von einem international koordinierten Vorgehen im sogenannten Kampf gegen Steuervermeidung. Dabei standen aber weniger die Staaten, die sich womöglich einer unfairen Steuerpolitik bedienten, als vielmehr multinationale Unternehmen, die teils mehr, teils weniger von den Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb des internationalen Steuerrechts Gebrauch machten, im Fokus von Politik und kritischer Öffentlichkeit.

Verschärfung durch BEPS-Projekt

Leitmotiv des 2013 initiierten BEPS-Projekts (OECD Aktionsplan zu Bekämpfung von Gewinnkürzung und Gewinnverlagerungen, OECD Action Plan on Base Erosion and Profit Shifting) ist die Besteuerung am Ort der wirtschaftlichen Tätigkeit bzw. der Wertschöpfung. Durch dieses Portfolio an Missbrauchsbekämpfungsmaßnahmen war zu erwarten, dass sich der Steuerwettbewerb verlagert auf einen stärkeren Wettbewerb um die Attrahierung von realwirtschaftlichen Aktivitäten, zum Beispiel von Produktionsstätten, und sich eher verschärft als abschwächt. Zu dieser Erwartung passt die Beobachtung, dass in jüngerer Zeit beispielsweise die bisherigen Hochsteuerländer Belgien und Frankreich sehr deutliche Körperschaftsteuersatzsenkungen vornahmen.

Die deutsche Steuerpolitik geht hier mit einer Einführung einer Forschungszulage bei gleichzeitiger Beibehaltung des Belastungsniveaus bei der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer einen anderen Weg. Bei der steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung rangiert Deutschland aber auch nach der Einführung des Forschungszulagengesetzes (FZulG) im Jahr 2020 und des Wachstumschancengesetzes im Jahr 2024 im internationalen Mittelfeld. Es zeigt sich, dass es im Schatten von BEPS offenbar zu einer Ausweitung der konkurrierenden Regime nationaler steuerlicher Forschungsförderung kam. Insgesamt agiert die deutsche Steuerpolitik also im Kontext eines fortdauernden, aktiven Steuerwettbewerbs. Deutschland scheint hier als ein höchstbesteuernder, über wenige steuerliche Trümpfe verfügender Wirtschaftsstandort nicht gut aufgestellt.

Aufkommenslose Compliance-Kosten als Standortnachteil

Die im Zuge von BEPS umgesetzten Maßnahmen haben es multinationalen Unternehmen deutlich erschwert, das internationale Steuersatzgefälle durch gezielte Gestaltungen zu nutzen. Dies geschah allerdings um den Preis einer regelrechten „Komplexitätsexplosion“ sowohl in den Regulierungen als auch in den Anforderungen an Steuererklärungen, im Rahmen von Betriebsprüfungen und anderen steuerlichen Prozessen und Rahmenbedingungen. Aufkommenslose Compliance-Kosten prägen das steuerrechtliche Umfeld in Deutschland und Europa. Offensichtlich stand bei der Entwicklung des Maßnahmenpaketes für die Vermeidung unerwünschter Gestaltungen die gleichzeitige Vermeidung von Standortnachteilen, die sich in verringerten Investitionen und Innovationen niederschlagen können, nicht mit im Zentrum der steuerpolitischen Agenda.

Um wettbewerbsfähig zu bleiben, muss Deutschland dringend seine Steuerpolitik reformieren und Bürokratie abbauen.

Die ökonomischen Rahmenbedingungen sind ein entscheidender Standortfaktor für unternehmerisches Handeln. Dabei kommt neben der Steuerbelastung der Rechtssicherheit in Steuerangelegenheiten erhebliche Bedeutung zu. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, muss Deutschland dringend seine Steuerpolitik reformieren und Bürokratie abbauen. In dem Zusammenhang sind die Digitalisierung von Prozessen und effiziente Betriebsprüfungen entscheidend, um den Standort Deutschland zu stärken und neue Investitionen anzuziehen.

Mutige Steuerreform unerlässlich

Für die Zukunft ist eine mutige Steuerreform in Deutschland unerlässlich. Diese sollte die Steuerbelastung für Unternehmen auf ein international wettbewerbsfähiges Niveau verringern, Bürokratie abbauen und die steuerliche Rechtssicherheit erhöhen. In diesem Zusammenhang kommt der Digitalisierung von Besteuerungsprozessen besondere Bedeutung zu. Eine solche Reform würde nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands stärken, sondern auch zur Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen beitragen. Deutschland sollte den Steuerwettbewerb als Chance für eine erfolgreiche wirtschaftliche Zukunft erkennen und entschlossen handeln.

Download der Langversion "Steuerwettbewerb als Chance" von K. Birnbaum, J.H. Heckemeyer, A. Linau, C. Sureth-Sloane, Schmalenbach IMPULSE, 4. Jg. 2024, S. 1-17, DOI 10.54585/OAHI2295

Zur Langfassung

Steuerwettbewerb als Chance

Aufsatz | 17 Seiten

Der internationale Steuerwettbewerb wird nach wie vor intensiv geführt. Diskutieren Sie mit — wie sollte sich Deutschland im Steuerwettbewerb positionieren?

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