People Analytics wird dem eigenen Anspruch aktuell kaum gerecht. Strukturelle Änderungen in der Ausrichtung und Umsetzung des Forschungsfeldes sind notwendig, um diesen Trend zu unterbrechen und umzukehren. Durch eine systematische Reflexion von Grundannahmen, Begriffsbedeutungen sowie dem Einbeziehen angrenzender Forschungsfelder kann eine solche Wendung erreicht und die praktische Relevanz von People Analytics erhöht werden - und damit das Feld den Anforderungen, die es an sich selbst stellt, näher bringen.
Die People-Analytics-Forschung befindet sich an einem Wendepunkt. Durch unzulängliche theoretische Schärfe wird die praktische Anschlussfähigkeit gefährdet. Unpräzise Begriffsdefinitionen, ein Mangel an Reflexion bezüglich der wissenschaftlichen Grundannahmen sowie eine oft eingleisige Risikodiskussion erschweren fundierte Erkenntnisse für die praktisch ausgerichtete Dimension. Gefordert wird daher ein ausgeprägteres ontologisches, epistemologisches und ethisches Hinterfragen des Forschungsfeldes, welches mehr Transparenz, Klarheit und praktischen Nutzen zum Ziel hat. Der reale Anwendungsbezug stellt hierbei ein zentrales Element dar. Offenheit gegenüber etablierten Ansätzen angrenzender Disziplinen anstelle einer stetigen Neuentwicklung wissenschaftlicher Theorien sowie mehr empirische, praxisnahe Arbeiten können dem Forschungsfeld dazu verhelfen.
Herausforderungen für das Forschungsfeld People Analytics
Die Forschung zu People Analytics steht vor einer konzeptionellen und methodischen Neuorientierung. Zwar erhebt das Feld den Selbstanspruch, zu datenbasierten und evidenzgestützten Personalentscheidungen zu verhelfen, doch mangelt es bislang an praktischem Nutzen und theoretischer Klarheit. Ontologische und epistemologische Unschärfen – etwa in der Abgrenzung zentraler Begriffe oder in der Operationalisierung theoretischer Konzepte – mindern einen echten Erkenntnisfortschritt. Ein umfassendes Hinterfragen des Forschungsfeldes ist daher unerlässlich, um einen praxisnahen, zukunftsorientierten Kurswechsel einzuschlagen.
These 1: Annahmen bewusster reflektieren
Das Forschungsfeld People Analytics benötigt mehr konzeptionelle und ontologische Präzision. Uneinheitliche Definitionen und mangelnde Reflexion über Grundannahmen führen zu widersprüchlichen Argumentationslinien und erschweren eine systematische Wissensbildung. Die Unterschiede der Forschungsansätze werden häufig nicht transparent genug behandelt, obwohl sich daraus essenzielle Implikationen für Forschung und Praxis ableiten. Wissenschaftliche sowie ethische Maßstäbe sind daher schwierig zu bestimmen, weshalb eine explizite Reflexion der ontologischen Grundsätze der People Analytics benötigt wird.
These 2: People-Analytics-Auswirkungen gelassener betrachten
Forschungsfelder wie Human-Resource-Management und Organizational Behavior konnten sich durch empirisch belegte positive Leistungswirkungen und methodische Vielfalt etablieren, bevor kritische Reflexion einsetzt. Im Gegensatz dazu stand das Feld People Analytics von Beginn an unter dem Einfluss kritischer Narrative wie Überwachung und ethische Risiken – noch bevor empirische Nutzenbelege vorlagen. Diese frühe Fokussierung auf Risiken verhinderte die Entwicklung ontologischer und epistemologischer Vielfalt sowie konkurrierender theoretischer Modelle. Statt dessen verengte sich die Diskussion auf zwei Perspektiven: eine operativ-technische, überwiegend akademische, und eine strategisch-wirtschaftliche, vor allem aus der Praxis. Dadurch fehlt People Analytics bis heute eine breite wissenschaftliche Legitimationsbasis, was seine Etablierung als wertvoller Beitrag erschwert.
These 3: Benachbarte Disziplinen offen einbeziehen
Die People-Analytics-Forschung droht, sich in eine auf theoretische Innovation ausgelegte Richtung zu verirren und so zu verpassen, von der eingängigen Vorarbeit benachbarter Disziplinen zu profitieren. Viele als neu präsentierte Konzepte – etwa zu Transparenz, Privatsphäre oder Entscheidungsunterstützung – wurden in der Management- und Wirtschaftsinformatik bereits in den 1980er und 1990er Jahren fundiert diskutiert. Statt sich in Innovationsrhetorik zu verlieren, sollte das Feld disziplinär offen agieren und historische Theorien gezielt rezipieren, um die „Bright Side“ von People Analytics besser zu verstehen. Der vermeintliche Neuheitswert digitaler Technologien verdeckt oft, dass es sich um alte Herausforderungen in neuer technischer Form handelt.
These 4: Quo Vadis People Analytics? – Weiterentwicklung durch empirische Arbeiten
Statt weiterer theoretischer Übersichtsarbeiten brauchen wir mehr empirische, gestaltungsorientierte und praxisnahe Forschung, die People Analytics tatsächlich voranbringt.
Ein stabiles theoretisches Fundament erleichtert die Ableitung der praktischen Relevanz der People-Analytics-Forschung. Die transparente Aufarbeitung der zentralen Grundannahmen, eindeutige Begriffsdefinitionen sowie das Darlegen der ethischen Prämissen sind dafür unabdingbar. Nur durch eine bewusste theoretische Verortung lassen sich die tatsächlichen Innovationen von People Analytics erkennen – und gleichzeitig verhindern, dass wertvolles Vorwissen übersehen oder unreflektiert ersetzt wird. Die Autor:innen plädieren daher für eine empirisch fundierte, praxisnahe und ethisch reflektierte Forschung statt einer fortgesetzten Flut an theorielastigen Literaturreviews. So kann das kumulative Wissen über People Analytics gezielt weiterentwickelt werden.
Zur Langfassung
People Analytics am Scheideweg: Vier Thesen für eine nachhaltige Kurskorrektur
Aufsatz | 15 Seiten
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