Die Nachhaltigkeitsberichterstattung nach CSRD, die Lieferketten-Sorgfaltspflichten nach CSDDD und die EU-Taxonomie stehen im Fokus einer neuen „Omnibus“-Initiative, die Berichtspflichten europäischer Unternehmen spürbar verringern soll. Die Ankündigung von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am 8. November 2024 folgt auf wachsende Kritik aus der Wirtschaft. In Deutschland bewerten inzwischen 67,6 % der Unternehmen die CSRD negativ, während nur 9,3 % eine positive Einschätzung haben. Lediglich 12,6 % glauben, dass die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung tatsächlich nachhaltige Geschäftspraktiken fördert. Besonders negativ äußern sich indes diejenigen Unternehmen, die sich bereits nachhaltig engagieren. Im Zentrum ihrer Kritik steht der hohe bürokratische Aufwand: 60 % der Unternehmen, die über ESG-Bürokratie klagen, haben deshalb bereits Investitionen gekürzt, weitere 40 % Projekte ins Ausland verlagert – eine Entwicklung, die dem ursprünglichen Ziel der Berichtspflichten widersprechen könnte.
Hintergrund: „Omnibus“-Ankündigung
Die EU-Kommission plant, die Berichtspflichten für Unternehmen im Rahmen eines neuen „Omnibus“-Gesetzes um mindestens 25 % zu reduzieren. Dies folgt auf die Budapester Erklärung vom 8. November 2024 des Europäischen Rates, die eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen fordert, zum Beispiel indem Berichtspflichten vereinfacht werden sollen. Besonders kleine und mittlere Unternehmen sollen so von bürokratischen Entlastungen profitieren.
Im Fokus der Reform stehen die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) und die EU-Taxonomie. Ihre inhaltlichen Anforderungen sollen zwar bestehen bleiben, aber redundante und überschneidende Vorgaben überarbeitet werden. In einer ersten Stellungnahme vom 29. Januar 2025 kündigte die EU-Kommission an, dass Berichtspflichten stärker an die Unternehmensgröße angepasst werden sollen, etwa durch die Einführung einer „Small Mid-Cap“-Kategorie. Konkretere Maßnahmen werden ab Februar erwartet. Bemerkenswert ist, dass diese Reform bereits angekündigt wurde, bevor die ursprünglichen Vorgaben der CSRD in deutsches Recht überführt wurden. Denn ihre für 2024 geplante Umsetzung verzögerte sich nach dem Bruch der Regierungskoalition. Unternehmen müssen sich also auf Anpassungen einstellen, noch bevor die ursprünglichen Berichtspflichten nach der CSRD überhaupt in Kraft getreten sind.
CSRD in der Unternehmenspraxis: Kritische Stimmen nehmen zu
Die angekündigte Reduzierung der Berichtspflichten im Rahmen des „Omnibus“-Vorhabens erfolgt vor dem Hintergrund einer zunehmend kritischen Einschätzung der bestehenden Regelungen durch deutsche Unternehmen. Im Juni 2024 bewerteten bereits 55,8 % der Unternehmen die CSRD negativ, zum Jahresende stieg dieser Anteil auf 67,6 %. Hauptkritikpunkte sind die Komplexität der Vorgaben (60,4 %) sowie der damit verbundene insgesamte Berichtsaufwand (56,4 %).
Gleichzeitig nimmt die allgemeine Zustimmung zur CSRD weiter ab. Während im Juni noch 19,2 % der Unternehmen die Vorschriften positiv bewerteten, sind es inzwischen nur noch 9,3 %. Noch deutlicher zeigt sich die Skepsis hinsichtlich der tatsächlichen Wirkung der Richtlinie: Lediglich 12,6 % der Unternehmen gehen nunmehr davon aus, dass die erhöhten Transparenzanforderungen tatsächlich zu nachhaltigeren Geschäftsmodellen führen.

Der Erfüllungsaufwand für ESG-Dokumentationspflichten gilt in vielen Unternehmen als hoch
Die steigende Kritik an den Nachhaltigkeitsvorgaben ist maßgeblich auf den damit verbundenen bürokratischen Aufwand zurückzuführen. Zwar bleibt für viele Unternehmen die Finanzberichterstattung der zentrale Bürokratietreiber – 83,3 % der Unternehmen, die ihr Rechnungswesen als belastend empfinden, nennen die klassischen Buchführungs- und Dokumentationspflichten als Hauptursache – doch zunehmend rückt auch die Nachhaltigkeitsberichterstattung in den Fokus. Bereits 34,3 % der Unternehmen sehen Dokumentationspflichten entlang der Lieferkette als bürokratische Hürde, und 20,4 % berichten von erheblichem Aufwand bei der Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten. Dies ist bemerkenswert, da viele dieser Anforderungen noch nicht verpflichtend gelten und nicht alle Unternehmen unmittelbar betreffen.

Die Belastung durch ESG-Berichtspflichten variiert je nach Unternehmensgruppe und -größe. Selbst Unternehmen ohne direkte Berichtspflicht nach CSRD oder CSDDD empfinden dies zu 19,4 % als bürokratische Last, etwa weil sie ESG-Informationen an Geschäftspartner weitergeben müssen. Bei Unternehmen mit direkter Berichtspflicht steigt dieser Anteil auf 30,6 %. Besonders betroffen sind Betriebe, die aktiv über ESG-Kennzahlen steuern: 46,4 % nehmen die regulatorischen Anforderungen zur ESG-Berichterstattung als bürokratische Hürde wahr. Am häufigsten weisen jedoch Unternehmen, die freiwillig über Nachhaltigkeit berichten, auf den bürokratischen Aufwand hin. Unter diesen Betrieben empfinden 64,3 % nichtfinanzielle Berichterstattung als erhebliche Belastung. Besonders oft handelt es sich dabei um kleine und mittlere Unternehmen mit begrenzten Ressourcen zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsstandards.

Bürokratiebelastung beeinflusst unternehmerische Entscheidungen
Die bürokratischen Anforderungen im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeitsberichterstattung wirken sich unmittelbar auf die wirtschaftlichen Entscheidungen der Unternehmen in Deutschland aus. In den vergangenen zwei Jahren haben 54,1 % der Unternehmen aufgrund bürokratischer Belastungen geplante Investitionen nicht umgesetzt, 40,9 % die Entwicklung neuer Produkte ausgesetzt, 39,4 % auf ausländische Geschäftsbeziehungen verzichtet und 28,4 % Projekte ins Ausland verlagert.

Diese Effekte sind besonders ausgeprägt gerade bei solchen Unternehmen, die ESG-Dokumentationspflichten als hohe Belastung empfinden. In dieser Gruppe geben 60,0 % an, Investitionen nicht realisiert zu haben, während 40,0 % bereits Projekte ins Ausland verlagert haben. Damit kann der bürokratische Aufwand nicht nur wirtschaftliche Aktivitäten hemmen, sondern auch zu Ergebnissen führen, die den ursprünglichen Zielsetzungen der Nachhaltigkeitsberichterstattung entgegenstehen.