In einer Phase europäischer Regulierungsunsicherheit bietet sich die Gelegenheit, grundlegende Prinzipien der Berichterstattung zu reflektieren. Neben der doppelten Wesentlichkeit rückt dabei insbesondere das Prinzip der Konnektivität in den Fokus. Dieses gewinnt angesichts komplexer globaler Herausforderungen zunehmend an Bedeutung für die Entscheidungsunterstützung durch Unternehmensinformationen. Wenn auch nicht explizit genannt, finden sich die Grundideen bereits in den Lageberichten einiger Unternehmen, die bemüht sind, eine holistische und interdependente Sichtweise ihrer Aktivitäten und deren Auswirkungen wiederzugeben.
Konnektivität als mehrdeutiger Begriff mit verschiedenen Dimensionen
Ungeachtet der Deutungsunterschiede bezüglich der jeweiligen Konzeption von Konnektivität, lässt sich der Begriff grundsätzlich auf seine ursprüngliche Verwendung im EDV-Bereich zurückführen, wo es im Wesentlichen um die „Fähigkeit“ bzw. Eigenschaft geht, eine (gegenseitige) Verbindung zwischen verschiedenen Systemen herzustellen.
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Konnektivität als zentrales Element des Integrated Reporting
Analyse | 25 Seiten

Dieses Grundverständnis lässt sich auf die Bereiche der internen Unternehmenssteuerung, der externen Unternehmensberichterstattung sowie der Standardentwicklung von Berichtsnormensystemen übertragen, wo es um die Berücksichtigung von Verbindungen bzw. Zusammenhängen in unterschiedlichen Ausprägungen geht, durch die sich auch die mannigfaltigen Interpretationen und Definitionen des Begriffs Konnektivität im Kontext der Unternehmensführung und -berichterstattung erklären lassen..

Begriffsinhalte von Konnektivität im Kontext der Unternehmenssteuerung und -berichterstattung
Konnektivität als zentrales Prinzip des Integrated Reporting
Das International <IR> Framework versteht Konnektivität als Leitprinzip integrierter Berichterstattung. Es steht im Dienste eines holistischen Verständnisses unternehmerischer Wertschaffung, die verschiedene Kapitalarten (z.B. Finanz-, Sozial- und Naturkapital) berücksichtigt. Konnektivität konkretisiert sich in der Darstellung systemischer Interdependenzen, Trade-offs und synergetischer Effekte. Sie verbindet qualitative und quantitative Informationen, vergangenheits-, gegenwarts- und zukunftsbezogene Inhalte sowie Finanz- und Nachhaltigkeitsparameter. Ziel ist, eine konsistente Kommunikation einer als „Integrated Thinking“ bezeichneten, an einer mehrdimensionalen Wertschaffung ausgerichteten Unternehmensführung.
Positive Effekte einer vom Integrated Thinking geprägten Unternehmensführung und -berichterstattung
Eine Berücksichtigung verschiedener Konnektivitäten in der Unternehmensführung stiftet Nutzen für Investoren und andere Stakeholder, da sie u.a.
- die Verknüpfung von finanziellen Angaben mit nicht-finanziellen Informationen aufzeigt;
- die Konsistenz der berichteten Daten mit jenen vom Management verwandten Daten deutlich macht;
- Transparenz schafft, inwieweit die Relevanz der Nachhaltigkeitsleistung für den finanziellen Erfolg im Management berücksichtigt wird;
- deutlich macht, ob unterschiedliche Zeithorizonte sowie deren Beziehung untereinander in der Managementrationalität von Bedeutung sind.
Doch auch für das Management besteht ein beträchtliches Nutzenpotenzial durch die Einbeziehung von Konnektivitäten in Entscheidungen und Maßnahmen. Z.B. lassen sich anführen:
- effektivere Wesentlichkeitsbeurteilung in Bezug auf die Auswirkungen des Geschäftsmodells und der Unternehmensstrategie auf die finanzielle und gesellschaftliche Position des Unternehmens;
- intensivere Beschäftigung mit Wertschöpfungsketten und darin verborgenen Chancen / Risiken;
- Erreichung einer Konvergenz von Nachhaltigkeitsstrategie und Unternehmensstrategie;
- Überwindung von Silo-Denken in der Unternehmensorganisation;
- Schaffung eines extensiven Datenpools mit finanziellen und nichtfinanziellen Daten als „single source of truth“ zur Unterstützung einer effektiveren und effizienteren Entscheidungsfindung;
- Etablierung von konsequenten und nachprüfbaren Datenbeschaffungsprozessen zur Erreichung einer hohen Datenqualität;
- Kostenersparnis durch einheitliche Systeme und Metriken und dadurch langfristige Wertschaffung;
- Erleichterung der Berichtsprüfung durch den Wirtschaftsprüfer durch Berücksichtigung von Zusammenhängen im Management und der Existenz von etablierten, konnektiv ausgelegten internen Kontroll- Risikomanagementsystemen, mit der Folge erhöhter Prüfsicherheit.
Herausforderungen durch die CSRD und ESRS
Die CSRD und die ESRS bekennen sich konzeptionell und inhaltlich zur Konnektivität – etwa durch die zeitliche und sachliche Verschränkung von Finanz- und Nachhaltigkeitsinformationen im Lagebericht. Doch paradoxerweise erschweren formale Anforderungen wie insbesondere die verpflichtende Erstellung eines separaten Nachhaltigkeitsberichts genau jene Integration, die im Grunde konzeptionell gewollt ist. Unternehmen, die bereits auf IR gesetzt hatten, sehen sich gezwungen, ihre bisherige, konnektive Berichterstattung aufzubrechen oder über Verweise und Redundanzen künstlich herzustellen.
Regulatorische Implikationen
Die aktuellen Vorgaben der CSRD und ESRS beeinträchtigen eine konsequente Umsetzung integrierter Berichterstattung und Konnektivität. Auch wenn durch die Verwendung von Verweisen und Dopplung von Angaben so manches kompensiert werden kann, stellt die gegenwärtige Rechtssituation einen Rückschritt hinschlich der Umsetzung des IR in der Praxis in Europa dar.
Auch wenn durch die Verwendung von Verweisen und Dopplung von Angaben so manches kompensiert werden kann, stellt die gegenwärtige Rechtssituation einen Rückschritt hinschlich der Umsetzung des IR in der Praxis in Europa dar.
Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Arbeitskreis Integrated Reporting und Sustainable Management der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V. eine Rückbesinnung auf eine funktional-integrierte Lageberichterstattung und plädiert für eine Generalnorm eines True and Fair View, die den Fokus stärker auf die Transparenz der unternehmerischen, mehrdimensionalen Wertschaffung richtet, an Stelle einer rein regelkonformen Datenerfüllung.