Die Meldeverfahren im innergemeinschaftlichen Warenverkehr sind dringend reformbedürftig. Rund 1,5 Milliarden Euro ließen sich durch eine Verknüpfung des steuerlichen und statistischen Meldeverfahrens einsparen. Für die Unternehmen bedeutet das weniger Aufwand; für die Außenhandelsstatistik eine höhere Datenqualität. Matthias Gries stellt auf Basis seiner Monographie „Umsatzsteuerliche und statistische Untersuchung der Meldeverpflichtungen im innergemeinschaftlichen Warenverkehr“ Reformideen zur Diskussion.
Mit der Realisierung des Europäischen Binnenmarktes und der Warenverkehrsfreiheit im Jahr 1993 wurden die bis dato geltenden Kontrollverfahren von grenzüberschreitenden Warenbewegungen außer Kraft gesetzt. Um dennoch zu verhindern, dass (aus steuerlicher Perspektive) nicht besteuerte Waren im Gemeinschaftsgebiet zirkulieren, und um (aus statistischer Perspektive) Daten für die Außenhandelsstatistik erheben zu können, traten zur Erfassung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs an die Stelle der staatlich regulierten Grenzkontrollen ersatzweise Meldeverpflichtungen auf Kosten und Rechenschaft des Unternehmers.
„Im Zeitalter der Digitalisierung drängt sich die Frage auf, wie lange ein seit 1993 unverändertes „Meldeverfahren 1.0“ noch zeitgemäß ist, um eine „Industrie 4.0“ abzubilden.“
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Der innergemeinschaftliche Warenverkehr. Bürokratiewahnsinn durch fehlende Ausnutzung von Synergieeffekten in der Meldesystematik.
Forschungs-Impuls | 9 Seiten
Probleme in der aktuellen Meldesystematik
In der aktuellen Meldesystematik des innereuropäischen Warenverkehrs lassen sich zwei Problemfelder identifizieren. Zum einen ist der hohe Bürokratieaufwand für die Unternehmen zu nennen, der aus den unterschiedlichen Meldeverpflichtungen resultiert. So kann aktuell eine innergemeinschaftliche Warenbewegung für den Unternehmer bis zu fünf verschiedene Meldeverpflichtungen (mit unterschiedlichen Adressaten und Prozessen zur Übermittlung) auslösen. Durch Überschneidungen bei den Meldeverpflichtungen können bis zu 49 Meldungen jährlich für einen am innergemeinschaftlichen Warenverkehr teilnehmenden Unternehmer notwendig werden.
Zum anderen ist es problematisch, dass dem Unternehmer bei Meldedifferenzen zwischen den gemeldeten statistischen Daten und den steuerlichen Daten Sanktionen drohen. Diese erstrecken sich von einem Ordnungswidrigkeitsverfahren bis hin zu einem Eintrag ins Gewerbezentralregister. Neben möglicherweise ungerechtfertigten Sanktionierungen beeinträchtigen Meldedifferenzen zwischen Steuer und Statistik die Qualität der Außenhandelsstatistik.
Reformansatz 1: Verknüpfung des steuerlichen und statistischen Meldeverfahrens
Eine Reduzierung des Meldeaufwands für die am innergemeinschaftlichen Warenverkehr teilnehmenden Unternehmer um ca. 50 % ließe sich erreichen, wenn die steuerlichen und statistischen Meldeverfahren zu einer Zusammenfassenden Mehrwertsteuer- und Statistik-Meldung (ZMSM) verknüpft werden. Wenn zuvor die Meldedifferenzen zwischen Steuer und Statistik beseitigt werden, steigt darüber hinaus die statistische Datenqualität.
Reformansatz 2: Blockchain
Im Zeitalter der Digitalisierung drängt sich die Frage auf, wie lange ein seit 1993 unverändertes „Meldeverfahren 1.0“ noch zeitgemäß ist, um eine „Industrie 4.0“ abzubilden. Für eine umfassende Reform der Meldesystematik bietet sich an, das steuerliche und statistische Meldeverfahren mittels eines postmodernen automatisierten Meldesystems im Rahmen einer Blockchain abzubilden. In diesem Fall würde das überholte Melde- von einem Datenbezugssystem mit autorisierten Zugriffsrechten der Behörde abgelöst.