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Forschungs-Impuls

Tarifgestaltung für digitale Dienste: Taktungen als wichtiger, aber häufig übersehener Teil der Preismetrik

| 5 Min. Lesezeit

Sebastian Oetzel

Professur für ABWL, insbesondere Marketing | Hochschule Fulda
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Christian Schlereth

Lehrstuhl für Digitales Marketing | WHU – Otto Beisheim School of Management
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Bernd Skiera

Lehrstuhl für Electronic Commerce | Goethe-Universität Frankfurt am Main
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Digitale Dienste ermöglichen eine flexible Gestaltung von Tarifen. Längst geht es dabei nicht mehr nur um die Festlegung der Preise, sondern um die Frage, wie die Leistungserbringung gemessen und abgerechnet wird.

Kurzimpuls

In Anbetracht der gestiegenen Bedeutung von IoT (Internet der Dinge) Diensten und Product-as-a-Service-Geschäftsmodellen wird die Ausgestaltung der Tarife immer wichtiger werden. Eine entscheidende Umsatzbedeutung nehmen hierbei Taktungen ein. Je nach Einheit, in der eine Nutzung gemessen wird, und je nach Taktung weicht die abgerechnete Nutzungsmenge mehr oder weniger stark von der tatsächlich genutzten Nutzungsmenge ab.

Für viele Dienste sind die Taktungen immer noch eine ungenutzte Möglichkeit für profitables Wachstum. Die Wahl einer geeigneten Preismetrik und die Festlegung von Mindestabrechnungsgrößen und Taktungen sind ein wichtiger Bestandteil der Tarifgestaltung. In den Anfängen der Internetnutzung haben die Anbieter beispielsweise die Nutzung nach der Zeit gemessen, die der Kunde mit dem Internet verbunden war. Später ersetzten die Anbieter diese Maßeinheit durch das übertragene Datenvolumen. Heute verwenden Anbieter von digitalen Diensten eine Kombination von Messeinheiten wie Zeit, ausgehendes und eingehendes Volumen und die Anzahl der Administrationszugänge. Ohne die Kenntnis der Reaktion der Kunden auf Mindestabrechnungsgrößen und Taktungen, ist eine Optimierung der Tarife nur schwer möglich.

Im heutigen digitalen Zeitalter erlebt die Taktung eine Renaissance. So basieren die meisten Geschäftsmodelle der „Sharing Economy“, bei der Kunden Gegenstände als Dienste nutzen, statt sie zu besitzen, auf einer Kombination aus einer Mindestabrechnungsdauer („Minimum Increment“) und Abrechnungstakten („Billing Increments“).

Die Preismetrik spezifiziert die Einheiten, die der Dienste-Anbieter zur Messung der Nutzung verwendet (z.B. pro Zeiteinheit, pro Entfernungseinheit, pro Datenvolumeneinheit). Viele Dienste messen die Nutzung über lediglich eine Einheit, aber beispielsweise bei Cloud-Computing hat sich immer mehr eine Kombination aus verschiedenen Einheiten (z.B. für Rechenkapazität und separat davon Datentransfervolumen) etabliert. Die Taktung spezifiziert, in welchen Schritten eine Einheit gemessen wird (z.B. bei Zeiteinheiten: pro Sekunde, pro Minute, pro Stunde; bei Volumen: pro Byte, Kilobyte, Megabyte).

Die Taktung und die Anwendung von Minimum und Billing Increments als Teil der Preismetrik standen bislang nicht im Fokus wissenschaftlicher Bemühungen. Da insbesondere in digitalen Umgebungen die tatsächliche Messung der Nutzung problemlos möglich ist, ist die Definition einer geeigneten Preismetrik ein wichtiger Bestandteil des Tarifes und der Preisstrategie von Dienste-Anbietern.

Entscheidungsbaukasten zur Gestaltung von Tarifen

Dienste-Anbieter haben einen großen Gestaltungsspielraum, die Nutzung ihrer Dienste zu bepreisen. Bei der Tarifgestaltung müssen drei grundlegende Entscheidungen getroffen werden:

1. Welche Preismetriken und Taktungen werden eingesetzt?

2. Welche Tarifstruktur soll verwendet werden?

3. Welche Preise sollen festgelegt werden?

Bei der ersten Frage muss der Anbieter die Preismetriken bestimmen und entscheiden, wie viele unterschiedliche Einheiten und welche Einheiten zur Berechnung der Kosten der Dienstnutzung herangezogen werden. Für eine Vielzahl an Diensten bietet es sich an, mehrere Messgrößen als lediglich eine einzusetzen. Darüber hinaus geht es um die Festlegung der eingesetzten Taktungen, die von der Wahl der jeweiligen Preismetrik abhängt.

Die zweite Entscheidung zur Tarifstruktur verlangt von den Anbietern, die Anzahl und Arten von Tarifen festzulegen, zwischen denen ein Nutzer wählen kann. Ein Tarif kann hierbei unterschiedliche Preiselemente und Mechanismen beinhalten und kombinieren, um den finalen Rechnungsbetrag zu bestimmen.

Zum einen unterscheiden sich die Preise, ob sie einmalig oder wiederkehrend auftreten. Typische Beispiele für Preise, die einmalig erhoben werden, sind so genannte Setup- oder Grundgebühren zur Bereitstellung des Dienstes. Wiederkehrende Preise können unabhängig oder abhängig von der Nutzung sein.

Bei der dritten Entscheidung legt der Anbieter die genauen Preise für jeden Tarif und jedes Tarifelement fest. Diese Entscheidung ist schwierig, da hohe Interdependenzen zwischen Preis, Nachfrage, Nutzungsverhalten, Kosten und Gewinn bestehen. Wahrscheinlich würden Carsharing-Kunden, die bisher minuten- oder stundengenau bezahlen, unter einer Flatrate deutlich häufiger und länger ein Auto nutzen, was aber gleichzeitig für den Dienste-Anbieter zu einer höheren erforderlichen Flottenkapazität führen würde.

Zentrale Erkenntnisse zu Minimum und Billing Increments

Bislang wurden Minimum und Billing Increments in der wissenschaftlichen Literatur kaum beachtet. Allerdings ist die Kenntnis des Einflusses auf die Gewinne von Unternehmen sowie die Kenntnis der Reaktion von Nutzern wichtig, wenn Tarife optimiert werden. Der 2020 im Journal of Service Research veröffentlichte Artikel von Skiera, Schlereth und Oetzel ist einer der ersten, der sich mit der Preismetrik zur Definition der Nutzung auseinandersetzt und das Verhalten von Kunden bei unterschiedlichen Minimum und Billing Increments untersucht. Die Autoren setzen in ihrem Beitrag eine Vielzahl an Datensätzen und Entscheiderperspektiven ein, um den Einsatz von Taktungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu analysieren. Sämtliche Daten stammen aus dem Mobilfunkbereich, da dort die Taktungen etabliert waren, bevor Flatrates die Dominanz übernommen haben. Die folgenden Erkenntnisse werden erzielt:

1. Welchen Einfluss haben Minimum und Billing Increments auf die Nutzung?

Aus Sicht des Kunden stellt sich die Frage, ob die Nutzung an die Taktung des Tarifes anpasst werden soll. Handeln Kunden rational, dann sollten die Gespräche überproportional häufig kurz vor dem Ende der Mindestabrechnungsdauer beendet werden, um diese möglichst umfassend Minute auszuschöpfen. Die Hypothese, dass ein Nutzer strategisch bei einer höheren Taktung die Taktungsmenge ausreizt, konnte nicht bestätigt werden. Das Ergebnis zeigt also, dass die Nutzungsdauer unabhängig von der Taktung ist.

2. Welchen Einfluss haben Minimum und Billing Increments auf die Wahl von Tarifen?

Zur Beantwortung der Fragestellung setzen die Autoren erneut Tranksationsdaten eines Telekommunikationsanbieters ein. Die Ergebnisse zeigen, dass häufig Fehler bei der Wahl eines Tarifes mit unterschiedlichen Minimum und Billing Increments auftreten und Kunden die Auswirkung von Taktungen bei ihrer Tarifwahl nicht korrekt einschätzen. In 31-43 % der Tarifwahlentscheidungen trafen Kunden nicht die kostengünstigste Entscheidung.

Prozentual betrachtet, wählten fast genau gleich viele Kunden einen Tarif mit einer für sie zu langen Mindestabrechnungszeit wie Kunden einen Tarif mit einer zu kurzen Mindestabrechnungszeit. Besonders Befragte mit geringer Bildung und geringen mathematischen Fähigkeiten neigten dazu, die Auswirkungen der Taktung falsch einzuschätzen.

3. Welchen Einfluss haben Minimum und Billing Increments auf den Rechnungsbetrag?

Im Vergleich zu einer sekundengenauen Abrechnung führt der Einsatz der Taktung zu monatlichen Mehrkosten von durchschnittlich knapp 14 %. Diese zusätzlichen Umsätze fließen Telekommunikationsanbietern zu, ohne dass sie selbst Mehrkosten haben und schlagen sich also direkt im Gewinn nieder.

4. Welchen Einfluss haben Minimum und Billing Increments auf die Gewinne von Anbietern?

Die Antwort für die betrachteten Telekommunikationsanbieter ist gewaltig. Taktungen tragen zu über 60 % des ausgewiesenen Gesamtgewinns bei. Der Grund ist, dass Telekommunikationsanbieter hohe Fixkosten haben und im Vergleich zu den Gesamtumsätzen nur einen geringen Gewinn. Die zusätzlichen Umsätze durch die Taktung werden ohne weitere Kosten erzielt. Zwar zahlt am Ende der Einzelkunde lediglich wenige Euro pro Monat mehr; jedoch ist der Effekt durch die hohe Zahl an Kunden enorm.

5. Haben Dienste-Anbieter die Taktung als wichtige Steuerungsgröße in der Preismetrik erkannt?

Zumindest in der Telekommunikationsbranche ist diese Frage klar zu bejahen. In der heutigen digitalen Zeit geht der Trend für viele Dienste ebenfalls in Richtung längerer Taktungen, obwohl eine genaue Nutzungsmessung ohne Schwierigkeiten möglich ist. Gleiches gilt auch für die Anbieter von Sharing-Diensten – auch dort sind längere Taktungen eher die Regel als die Ausnahme.

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Taktungen als zentraler Bestandteil der Preismetrik bei digitalen Diensten

Aufsatz | 13 Seiten
Beitrag in Heftausgabe

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