{# File Endings #} {# #} {# #} {# #} {# Contact #} {# Social Media #}
Forschungs-Impuls

Mehr Transparenz durch Offenlegung von Bilanzen: Wie Unternehmensgründer von etablierten Wettbewerbern lernen können

| 4 Min. Lesezeit

Darren G. Bernard

Associate Professor of Accounting | Foster School of Business | University of Washington
Mehr

Devrimi Kaya

Lst. für Corporate Governance, Auditing und Accounting | Ruhr-Universität Bochum
Mehr

John L. Wertz

Associate Professor of Accounting | Kelley School of Business | Indiana University
Mehr

Wettbewerbsbedingte Nachteile und der Einblick in die persönliche Einkommens- und Vermögenssituation bilden seit Jahrzehnten den Schwerpunkt der negativen Haltung mittelständischer Unternehmen gegenüber der Jahresabschlusspublizität. Kritiker und Befürworter der Publizität sind sich einig: die Offenlegung von Rechnungslegungsinformationen kann Einfluss auf das unternehmerische Verhalten haben.

Kurzimpuls

Kapitalgesellschaften in Europa sind verpflichtet, ihre Jahresabschlüsse offenzulegen. Mehrere Hunderttausend mittelständische Unternehmen in Deutschland reichen jährlich ihre Jahresabschlüsse zentral beim Bundesanzeiger ein. Mehr Transparenz im Informationsumfeld kann insbesondere für Unternehmensgründer von großem Nutzen sein. Nach der EHUG Gesetzesänderung, welche in Deutschland die Pflicht zur Bilanzveröffentlichung strikt umsetzt, glichen sich die Kapitalstrukturen von neuen und etablierten Firmen innerhalb gleicher Industrien und Regionen in Deutschland stärker an als vorher. Dies ist ein Indiz dafür, dass deutsche Gründer die veröffentlichten Jahresabschlüsse nutzten, um sich an der Kapitalstruktur bestehender Unternehmen zu orientieren. Die Zusatzanalysen zeigen, dass sich Unternehmensgründer ausschließlich an größeren und nicht an kleineren Wettbewerbern orientieren. Zudem sind die Nachahmungseffekte stärker, wenn mehr detaillierte Informationen zur Kapitalstruktur von Wettbewerbern in den Bilanzen einsehbar sind.

 

 

So wies bereits Moxter in seiner Habilitationsschrift auf die Gefahren der Publizität durch Verhaltensänderungen von Rechnungslegungsadressaten hin, zu denen das Anlocken von Konkurrenten durch den Ausweis von hohen Gewinnen oder die Beeinflussung des Preisspielraums auf Produktmärkten gehören (Moxter 1962). Im Einzelfall können die nachteiligen Wirkungen existenzbedrohend für Unternehmen sein (Kaya 2010).

Das Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG), welches 2007 in Kraft getreten ist, hat das Informationsumfeld von mittelständischen Unternehmen fundamental verändert. Während die Offenlegungsquoten in Deutschland vor dem EHUG bei ca. 5-10 % lagen und somit die Publizitätsverweigerung stark verbreitet war, stiegen die Offenlegungsquoten nach der Gesetzesänderung auf über 90 % an (Henselmann und Kaya 2009).

Mehrere Hunderttausend Unternehmen in Deutschland reichen jährlich ihre Jahresabschlüsse zentral beim Bundesanzeiger ein. Das Interesse an den veröffentlichten Bilanzen ist enorm, da alternative Informationsquellen über mittelständische Unternehmen zumeist fehlen. So zeigen Zahlen des Bundesanzeigers, dass täglich rund 116.000 Jahresabschlüsse abgerufen werden; auf das Jahr gerechnet sind das gut 42 Millionen Abrufe. Vertreter mittelständischer Unternehmen bilden dabei die Mehrheit der Nutzer. Der Online-Abruf ermöglicht einen preiswerten und gleichermaßen einfachen Zugang zu wichtigen Rechnungslegungsinformationen.

In der Forschungsliteratur standen die wettbewerbsbedingten Offenlegungskosten für mittelständische Unternehmen im Fokus (Bernard et al. 2018), während der Nutzen der Transparenz im Informationsumfeld dieser Unternehmen bisher kaum erforscht ist (Minnis und Shroff 2017). Die erhöhte Markttransparenz kann insbesondere für Unternehmensgründer von großem Nutzen sein, welche die Bilanzen etablierter Wettbewerber für Benchmarking und Branchenvergleiche im Rahmen der Unternehmensfinanzierung heranziehen können.

Die erhöhte Markttransparenz kann insbesondere für Unternehmensgründer von großem Nutzen sein, welche die Bilanzen etablierter Wettbewerber für Benchmarking und Branchenvergleiche im Rahmen der Unternehmensfinanzierung heranziehen können.

Unternehmensgründer stehen vor der schwierigen Entscheidung, wie viel Eigen- und wie viel Fremdkapital sie zur Unternehmensgründung einbringen. Finanzierungsentscheidungen zum Zeitpunkt der Gründung können maßgeblich das Wachstum, aber auch die Überlebenswahrscheinlichkeit in der Zukunft beeinflussen. Beispielsweise kann ein zu hoher Verschuldungsgrad im Vergleich zu etablierten Wettbewerbern innerhalb der gleichen Industrie in Krisenzeiten die Insolvenzgefahr erhöhen. Zudem können verschuldete Unternehmen von etablierten Konkurrenten durch strategische Preisanpassungen aus dem Markt verdrängt werden (Bernard 2016).

Unternehmensgründer können Unsicherheiten und fehlende Erfahrungswerte bei der Unternehmensfinanzierung ausgleichen, indem sie sich an den Kapitalstrukturen von etablierten Wettbewerbern orientieren, die sie den veröffentlichten Bilanzen im Bundesanzeiger entnehmen können. Tatsächlich zeigt die Forschung in der Finanzierungsliteratur, dass die Kapitalstruktur von Vergleichsunternehmen einen wesentlichen Einfluss auf die Kapitalstrukturentscheidung von Unternehmen hat (Leary und Roberts 2014).

Vor diesem Hintergrund untersuchen die Autoren in einem Beitrag im Journal of Accounting and Economics die Kapitalstruktur von neu gegründeten und etablierten Unternehmen vor und nach der EHUG Gesetzesänderung, welche in Deutschland die Pflicht zur Bilanzveröffentlichung strikt umsetzt (Bernard et al. 2021). Nach der Gesetzesänderung glichen sich die Kapitalstrukturen von neuen und etablierten Firmen innerhalb gleicher Industrien und Regionen in Deutschland stärker an als vorher. Dieser sogenannte Mimicking- oder Nachahmungseffekt war in anderen europäischen Ländern, welche als Kontrollgruppe dienen und keine Regulierungsänderung im Informationsumfeld vorweisen, nicht zu finden. Ein Indiz dafür, dass deutsche Gründer die veröffentlichten Jahresabschlüsse nutzten, um sich an der Kapitalstruktur bestehender Unternehmen zu orientieren.

Die Zusatzanalysen zeigen, dass sich Unternehmensgründer ausschließlich an größeren und nicht an kleineren Wettbewerbern orientieren. Zudem sind die Nachahmungseffekte stärker, wenn mehr detaillierte Informationen zur Kapitalstruktur von Wettbewerbern in den Bilanzen einsehbar sind. Zusammenfassend verdeutlicht die Studie, wie sich Regulierung und Unternehmenstransparenz auf unternehmerische Entscheidungen auswirken und wie Unternehmensgründer von etablierten Wettbewerbern lernen können.

Literatur

Bernard, D.G. 2016. Is the risk of product market predation a cost of disclosure? Journal of Accounting and Economics 62: 305-325.

Bernard, D.G., D. Burgstahler, D. Kaya. 2018. Size management by European private firms to minimize proprietary costs of disclosure. Journal of Accounting and Economics 66: 94-122.

Henselmann, K., D. Kaya. 2009. Empirische Analyse des Offenlegungszeitpunkts von Jahresabschlüssen nach dem EHUG. Die Wirtschaftsprüfung 62: 497-501.

Kaya, D. 2010. Strategien zur Verminderung und Vermeidung der Jahresabschlusspublizität. Aachen.

Leary, M.T., M.R. Roberts. 2014. Do peer firms affect corporate financial policy? The Journal of Finance 69: 139-178.

Minnis, M., N. Shroff. 2017. Why regulate private firm disclosure and auditing? Accounting and Business Research 47: 473-502.

Moxter, A. 1962. Der Einfluss von Publizitätsvorschriften auf das unternehmerische Verhalten. Köln.

Haben Sie eine Frage oder Anregungen? — Teilen Sie Ihre Gedanken zu diesem Forschungs-Impuls! Wie beurteilen Sie den Einfluss der Offenlegung von Rechnungslegungsinformationen auf das unternehmerische Verhalten?

Kommentieren

Ihre E-Mail-Adresse ist erforderlich, um einen Kommentar abgeben zu können. Nur Ihr Name wird für andere sichtbar sein, Ihre E-Mail-Adresse wird NICHT veröffentlicht. Bitte beachten Sie, dass der Kommentarbereich moderiert wird - dies ist notwendig, um Spammer und Netznutzer fernzuhalten.