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Debattenbeitrag

Inhaltliche Pflichtprüfung von Nachhaltigkeitsberichten: Wer prüft in der EU künftig wie tief?

| 4 Min. Lesezeit

Patrick Velte

Professur für Betriebswirtschaftslehre, insb. Accounting, Auditing & Corporate Governance | Leuphana Universität Lüneburg
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Nach der kürzlich verabschiedeten EU-Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) müssen ca. 15.000 Unternehmen in Deutschland in den kommenden Jahren einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen und diesen extern prüfen lassen. Wer wird die Prüfung mit welcher Tiefe übernehmen? Die Ambitionen und die künftigen Herausforderungen sind groß.

Kurzimpuls

Der neue Nachhaltigkeitsbericht nach der kürzlich verabschiedeten EU-Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die Eingliederung der grünen Leistungsindikatoren nach der Taxonomie-Verordnung sowie die geplante Integration der Angaben zur Befolgung der nachhaltigkeitsbezogenen Sorgfaltspflichten zur Wertschöpfungskette nach der geplanten CSDDD in den Nachhaltigkeitsbericht führen zu einer massiven Ausdehnung des künftigen Prüfungsobjekts für den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer. Diese müssen in den kommenden Jahren zunächst mit begrenzter und zeitlich versetzt mit hinreichender Sicherheit die Nachhaltigkeitsberichte von ca. 15.000 Unternehmen in Deutschland prüfen, sofern keine anderen externen Anbieter mit der Prüfung beauftragt werden.

Um eine langfristige integrierte Prüfung von Finanz- und Nachhaltigkeitsbericht durch den Wirtschaftsprüfer (=Abschlussprüfer) mit hinreichender Sicherheit zu erreichen, muss der Berufsstand eine flächendeckende Aus- und Fortbildung von Wirtschaftsprüfern im ESG-Bereich in den nächsten Jahren vollziehen und gleichzeitig dem hartnäckigen Nachwuchsproblem begegnen. Betriebswirtschaftliche und juristische Studiengänge sollten konsequent um Nachhaltigkeitsthemen erweitert werden. Im gleichen Maße bedarf es auch einer signifikanten Erhöhung der Nachhaltigkeitsexpertise in Prüfungsausschüssen bzw. Aufsichtsräten. Last but not least müssen die berichtspflichtigen Unternehmen ihre internen Corporate Governance-Systeme, primär die interne Revision, ausbauen und um ESG-Risken und -Chancen erweitern.

Aktueller regulatorischer Hintergrund

Nach der sog. EU-Non-Financial Reporting Directive (NFRD) aus dem Jahre 2014 müssen nur bestimmte Unternehmen des öffentlichen Interesses (Public Interest Entities – PIEs) eine nichtfinanzielle Erklärung abgeben. Neben einer formellen Pflichtprüfung durch den bestehenden Wirtschaftsprüfer (=Abschlussprüfer) beinhaltet die NFRD ein Mitgliedstaatenwahlrecht, die Prüfung um eine inhaltliche Beurteilung auszudehnen. Die meisten EU-Mitgliedstaaten, u.a. auch Deutschland, haben hierauf verzichtet. Nach dem CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG) schreibt § 317 Abs. 2 Satz 3 HGB lediglich eine Beurteilung vor, ob die nichtfinanzielle Erklärung oder der gesonderte nichtfinanzielle Bericht vorgelegt wurde. Die Unternehmen können jedoch einen freiwilligen Prüfungsauftrag erteilen und hierbei entscheiden, ob die Prüfung analog zur Finanzberichterstattung mit hinreichender Sicherheit oder ressourcensparend mit begrenzter Sicherheit durchgeführt werden soll. Überdies steht es den Unternehmen frei, neben dem Wirtschaftsprüfer andere unabhängige Prüfungsinstanzen mit der freiwilligen inhaltlichen Beurteilung der nichtfinanziellen Erklärung zu beauftragen. Empirischen Untersuchungen zufolge besteht derzeit bei börsennotierten Unternehmen am deutschen Kapitalmarkt eine eindeutige Präferenz, die nichtfinanzielle Erklärung einer freiwilligen Prüfung durch einen Wirtschaftsprüfer mit begrenzter Sicherheit zuzuführen. Ursächlich hierfür ist die gesetzliche Pflicht des Aufsichtsrats zur inhaltlichen Prüfung der nichtfinanziellen Erklärung nach § 171 Abs. 1 Satz 3 AktG und die damit zusammenhängende Unterstützungsleistung des Wirtschaftsprüfers.

Richtlinie (EU) 2022/2464

EUR-Lex

Als zentraler Bestandteil des ambitionierten EU-Green-Deal-Projekts wurde die NFRD durch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ersetzt, welche einen breiteren Anwenderkreis, ein erhöhtes Volumen der Berichtspflichten und gesteigerte Prüfungspflichten beinhaltet. Die nichtfinanzielle Erklärung wird durch einen umfangreichen Nachhaltigkeitsbericht nach dem Environment, Social & Governance (ESG)-Konzept als Pflichtbestandteil des Lageberichts mit inhaltlicher Prüfungspflicht abgelöst.

Kompromisslösungen bei Prüfungsinstanz und Prüfungstiefe

Als politische Kompromisslösung enthält die CSRD allerdings wiederum ein zentrales Mitgliedstaatenwahlrecht: neben dem bestehenden Wirtschaftsprüfer, der die Prüfung des Finanzberichts durchführt (=Abschlussprüfer), kann ein zweiter Wirtschaftsprüfer oder eine andere unabhängige Prüfungsinstanz außerhalb des Berufsstands beauftragt werden. Fraglich ist, warum nicht analog zur Prüfung der Finanzberichterstattung eine Vorbehaltsaufgabe durch den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer implementiert wurde. Ursächlich hierfür ist die steigende Marktkonzentration am europäischen Prüfungsmarkt, die ebenfalls bei der (freiwilligen) Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu beobachten ist. Die Zulassung anderer Anbieter könnte den Wettbewerb beleben. Überdies könnte der EU-Richtliniengeber daran zweifeln, dass die Wirtschaftsprüfer in den EU-Mitgliedstaaten flächendeckend über die notwendigen theoretischen und praktischen Erfahrungen in der Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten verfügen.

Neben der optionalen Auswahl einer bestimmten Prüfungsinstanz sieht die CSRD auch hinsichtlich der Prüfungstiefe einen Kompromiss vor. So soll zunächst in Abgrenzung zur hinreichenden Sicherheit bei der Prüfung der Finanzberichterstattung lediglich eine begrenzte Prüfungssicherheit bei der Beurteilung des Nachhaltigkeitsberichts eingefordert werden. Bis zum 01.10.2028 möchte die EU-Kommission den Übergang von der begrenzten zur hinreichenden Prüfungssicherheit evaluieren. Angesichts des geringeren Prüfungsaufwands fällt die Prüfungsqualität bei der begrenzten Prüfungssicherheit geringer als bei der hinreichenden Prüfungssicherheit aus. Dieses „Stufen-Modell“ soll dazu beitragen, sukzessive die notwendigen Lerneffekte aufseiten der Prüfer und berichtspflichtigen Unternehmen aufzubauen. 

Künftige Herausforderungen bei der inhaltlichen Pflichtprüfung nach CSRD

Angesichts der künftigen Herausforderungen bei der inhaltlichen Pflichtprüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung nach der CSRD spricht vieles dafür, die Strategie einer integrierten Prüfung des Finanz- und Nachhaltigkeitsberichts durch den bestehenden Wirtschaftsprüfer mit hinreichender Prüfungssicherheit konsequent zu verfolgen.

Die Strategie einer integrierten Prüfung des Finanz- und Nachhaltigkeitsberichts durch den bestehenden Wirtschaftsprüfer mit hinreichender Prüfungssicherheit muss aus langfristiger Sicht konsequent verfolgt werden.

Stakeholder müssen sich auf eine gleichwertige Prüfungsqualität von Nachhaltigkeits- und Finanzinformationen verlassen können. Zur Nutzung von Synergieeffekten ist zu vermuten, dass in der Unternehmenspraxis verstärkt eine Prüfung beider Berichte durch den bestehenden Abschlussprüfer gewünscht wird. Mit der bloßen Ausweitung der CSRD-Berichtspflichten ist die Gefahr von Greenwashing nicht gebannt. Daher sind Stakeholder auf eine detaillierte Überwachung der Nachhaltigkeitsberichterstattung und der dahinterstehenden internen Corporate Governance-Systeme angewiesen. Diese kann nur im Zusammenspiel zwischen Aufsichtsrat/Prüfungsausschuss, Interner Revision und Wirtschaftsprüfer eine angemessene Prüfungsqualität bewirken. Inwiefern in den kommenden Jahren genügend Wirtschaftsprüfer mit Nachhaltigkeitsexpertise zur Verfügung stehen werden, um die Nachhaltigkeitsberichte von ca. 15.000 Unternehmen in Deutschland zu prüfen, ist allerdings angesichts des Nachwuchsproblems derzeit ungewiss. Strategische Kooperationen zwischen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und anderen Prüfungsinstanzen für Nachhaltigkeitsberichte können eine zentrale Maßnahme darstellen, um diesem Problem zu begegnen. 

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Aufsatz | 13 Seiten

Diskutieren Sie mit — Welche Herausforderungen an die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung nach der CSRD sehen Sie? Für welche Prüfungsinstanz und welche Prüfungstiefe sprechen Sie sich aus?

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