Trotz aller Diskussionen über die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen: Die Daten des GBP zeigen, dass aktuell lediglich 11,1 % der Unternehmen in Deutschland nicht-finanzielle Kennzahlen bei der Festlegung ihrer Jahresziele berücksichtigen – weniger als noch im Vorjahr. In einem Jahr schwerer wirtschaftlicher Herausforderungen hat offenbar die Sicherung des finanziellen Erfolgs Vorrang vor nicht-finanziellen Zwecken.
Kurzimpuls
Als langfristiges Befragungspanel analysiert das GBP die betriebswirtschaftlichen Einschätzungen und Erwartungen von Unternehmen in Deutschland: Trotz konjunktureller Sorgen haben sich die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen im 4. Quartal 2022 stabilisiert und schließen zum Jahresende leicht erholt.
Nachdem die Gewinnveränderungsrate im Oktober im Vergleich zum Vormonat deutlich um 2,42 Prozentpunkte steigt, sinkt sie im November wieder leicht um -0,53 Prozentpunkte. Im Dezember erwarten die befragten Unternehmen für das laufende Kalenderjahr für das eigene Unternehmen im Vergleich zum vorangegangenen Kalenderjahr nahezu keine Veränderungen des jährlichen Gewinns.
Die Stabilisierung der betriebswirtschaftlichen Indikatoren schlägt sich in einer Stagnation des Risikos für Unternehmensaufgaben im Oktober und November nieder. Im Dezember fällt die Ausfallwahrscheinlichkeit um 1,39 Prozentpunkte und liegt damit zum Jahresende leicht unter dem Jahresdurchschnitt.
Die Zufriedenheit mit der Wirtschaftspolitik, die im September auf einen Aufzeichnungstiefststand gesunken war, ist im 4. Quartal im Zuge der Maßnahmen gegen die Energiekrise zunächst gestiegen und dann wieder leicht abgefallen. Sie liegt im Dezember bei 3,19 Punkten auf einer auf einer Skala von 0 (sehr unzufrieden) bis 10 (sehr zufrieden) und damit unter dem Jahresdurchschnitt von 3,63 Punkten.
Zum Jahreswechsel steht für die meisten Manager eine Bewertung des vergangenen Geschäftsjahres an. Wie steht das Unternehmen da? Wurden die gesteckten Jahresziele erreicht? Immer häufiger kommt dabei die Forderung auf, dass Unternehmen angesichts der sozialen und klimapolitischen Herausforderungen sich auch nicht-finanzielle Ziele setzen und deren Erreichung messen.
Die Berücksichtigung nicht-finanzieller Kennzahlen hat seit 2021 abgenommen
Seit Juli 2021 fragt das GBP daher, welche Kennzahlen Unternehmen in Deutschland bei ihren Zielvorgaben berücksichtigen. Die Daten zeigen, dass auch in 2022 die Sicherung des finanziellen Erfolgs Vorrang vor anderen, nicht-finanziellen Zielen hat: Lediglich 11,1 Prozent der Unternehmen berichteten, zur Erfolgsmessung, zusätzlich zu Bilanzgewinn oder Liquidität, auch nicht-finanzielle Kennzahlen heranzuziehen. Das sind sogar 3,6 Prozentpunkte weniger als im Vorjahr
Die Zahlen verdeutlichen, dass offenbar viele Unternehmen nach wie vor auf harte Finanzkennzahlen setzen. Gerade in einem Krisenjahr zählt für viele Unternehmen verständlicherweise zuerst die Sicherung der eigenen finanziellen Basis. Andere gesellschaftliche Ziele treten dahinter zurück.
Kennzahlen zum Ressourcenverbrauch und zu CO2-Emissionen haben an Bedeutung gewonnen
Es ist also ein vergleichbar kleiner Kreis von Unternehmen, die auf nicht-finanzielle Kennzahlen setzen. Von ihnen berücksichtigen fast 90 Prozent in erster Linie die Mitarbeiterzufriedenheit und 56 Prozent vor allem das eigene Image. Auf nachhaltigkeitsbezogene Kennzahlen wie CO2-Emissionen oder Wasser- und Energieverbrauch schauen 35,4 bzw. 29,3 Prozent der Befragten, die diese Kennzahlen nutzen. Dieser Anteil ist immerhin deutlich gestiegen (plus 12,1 bzw. 10,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr). Hier zeigt sich, dass mit zuletzt deutlich gestiegenen Energiekosten Unternehmen zunehmend erkennen, wie sich hoher Ressourcenverbrauch unmittelbar auf den finanziellen Erfolg auswirkt und daher als eigenes Ziel gerechtfertigt ist. Die Geschlechterquote rangiert mit 8,9 Prozent hingegen auf dem letzten Platz der Prioritätsliste.
Im Baugewerbe werden nicht-finanzielle Kennzahlen besonders selten genutzt
Abhängig von der Industrie, Größe und örtlichen Lage eines Unternehmens ergeben sich erhebliche Unterschiede in der Verwendung nichtfinanzieller Indikatoren. Im Branchenvergleich stechen vor allem die Bereiche Erziehung und Unterricht, Gesundheits- und Sozialwesen, IT sowie der Dienstleistungssektor für ihre Berücksichtigung weicher Faktoren hervor, wohingegen im Baugewerbe und im Handel nicht-finanzielle Kennzahlen besonders selten genutzt werden. Im Standortvergleich führen die Stadtstaaten Berlin und Hamburg die Tabelle an, Schlusslichter sind neben Baden-Württemberg auch Hessen und Sachsen-Anhalt.
Nicht-finanzielle Kennzahlen werden in der Regel quartalsweise oder noch seltener aktualisiert
Während bilanzielle Kennzahlen vorwiegend auf monatlicher Basis verfolgt und gemeldet werden, gelten für nicht-finanzielle Kennzahlen deutlich längere Zeitintervalle. 59 % der Unternehmen, die diese Kennzahlen nutzen, aktualisieren nicht-finanzielle Indikatoren lediglich quartalsweise oder seltener. 19 % der Unternehmen erfassen solche Zahlen sogar nur auf jährlicher Basis. Zum Vergleich: Indikatoren zur Liquidität werden von mehr als der Hälfte der Unternehmen mindestens wöchentlich überprüft und an Führungskräfte berichtet.
Die Nutzung nicht-finanzieller Kennzahlen ist stark mit politischen Präferenzen korreliert
Die Wahrscheinlichkeit zur Verwendung nicht-finanzieller Kennzahlen hängt stark davon ab, welche Partei aus Sicht des Unternehmens in politischer Regierungsverantwortung stehen sollte. Hier schlägt sich die politische Debatte zu gesellschaftlicher Verantwortung und nichtfinanziellen Zwecken von Unternehmen erkennbar nieder. Äußert ein Unternehmen etwa eine Präferenz für eine Regierungsbeteiligung von Die Linke (27 %) oder Die Grünen (23 %), werden nicht-finanzielle Ziele häufiger in der Erfolgsmessung verwendet als bei einer Präferenz für die FDP oder CDU/CSU (jeweils 17 %).
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