„Vertrauen ist der Anfang von allem“ – dies war lange Zeit das Motto der Deutschen Bank. Umfragen zeigen jedoch, dass das Vertrauen in der Bevölkerung in Banken insgesamt sehr gering ist. Anspruch und Wirklichkeit passen hier also nur bedingt zusammen.
Kurzimpuls
Eine experimentelle Langzeitstudie macht einen möglichen Grund für die vielen Skandale in der Finanzwelt aus: Arbeitnehmende in dieser Branche sind häufig weniger vertrauenswürdig und weniger sozial eingestellt. Ein Forscherteam hat die sozialen Präferenzen von Studierenden der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre ermittelt und deren ersten Stellenbesetzungen verfolgt. Dabei zeigt sich, dass Studierende, die ihre Karriere in der Finanzwelt planten, um 30 Prozent als weniger vertrauenswürdig galten, als solche, die nach ihrem Studium ihren Berufseinstieg in einer anderen Branche sahen. Die Finanzwelt scheint aber weniger vertrauenswürdige Personen im Laufe eines Einstellungsprozesses nicht auszusortieren, sondern tatsächlich einzustellen. Zudem wechselt nur ein geringer Teil der Arbeitnehmer:innen aus den Finanzen in eine andere Branche.
Vertrauen und Informationsasymmetrien
Womit die Deutsche Bank jedoch zweifelsohne Recht hatte: Vertrauen ist bei Finanzprodukten sehr wichtig. Finanzprodukte sind oft komplex. Bankberaterinnen und -berater wissen deutlich mehr als ihre Kunden über die Finanzprodukte (z.B. deren Chancen und Risiken) und die Provisionen, die sie beim Verkauf des Finanzprodukts erhalten. Hinzu kommt, dass die Bankberater:innen oft einen Anreiz haben, genau dieses Wissen auf Kosten der Kunden auszunutzen, indem sie z.B. Produkte verkaufen, die für die Bank eine höhere Provision abwerfen. In den Wirtschaftswissenschaften spricht man in solchen Situationen von Informationsasymmetrien, die von Menschen ausgenutzt werden können.
Vertrauenswürdigkeit und Berufswünsche
Aus der verhaltensökonomischen Forschung ist bekannt, dass es Menschen gibt, die nicht davor zurückschrecken, entgegengebrachtes Vertrauen zu missbrauchen; es gibt aber auch Menschen, denen man durchaus vertrauen kann. In einem aktuellen Forschungsprojekt hat ein Wissenschaftler-Team untersucht, welcher „Typ“ Mensch von der Finanzbranche angezogen wird, d.h. wer – etwas salopp gesagt – eigentlich Banker wird.
Die Kernidee der Studie war es, die Vertrauenswürdigkeit von Studierenden zu messen und zu fragen, in welchen Branchen diese nach dem Studium arbeiten möchten. In einem zweiten Schritt wurden die damaligen Studierenden einige Jahre später noch einmal kontaktiert, um zu analysieren, wer nach dem Studium in welcher Branche arbeitet.
Messung von „Vertrauen“ und „Vertrauenswürdigkeit“
Die Langzeitstudie wurde in Frankfurt, dem Zentrum der deutschen Finanzindustrie, durchgeführt. Die Teilnehmer:innen der Studie waren Studierende der Wirtschaftswissenschaften von der Goethe-Universität Frankfurt. Mit ihnen wurde ein computergestütztes Laborexperiment, ein so genanntes „Vertrauensspiel“ durchgeführt. Die grundlegende Struktur des Vertrauensspiels ähnelt in gewisser Weise einer Beratungssituation in einer Bank: Eine erste Person hat einen Geldbetrag und kann diesen an eine zweite Person weitergeben, um ihn zu „investieren“. Der investierte Geldbetrag wird verdreifacht und die zweite Person muss entscheiden, wie viel sie von dieser Summe der ersten Person zurückgibt. Die Gesamtauszahlung beider Personen ist maximal, wenn die erste Person ihren gesamten Geldbetrag investiert. Wenn die zweite Person jedoch rein egoistisch handelt und der ersten Person nichts zurückgibt, so ist es für die erste Person optimal, nichts zu investieren. Daher ist die Entscheidung der ersten Person ein in der Forschung anerkanntes Maß für „Vertrauen“ und die Entscheidung der zweiten Person ein Maß für „Vertrauenswürdigkeit“.
Mit dieser Methode haben die Forscher 2013 die Vertrauenswürdigkeit von 265 Studierenden der Wirtschaftswissenschaften an der Goethe-Universität Frankfurt gemessen. Im Anschluss haben sie den Studierenden eine Liste von Branchen vorgelegt und gefragt, wo diese nach ihrem Studium arbeiten möchten. Das Resultat: Studierende mit hohem Interesse an der Finanzindustrie waren im Vertrauensspiel deutlich weniger bereit, erhaltene Investitionen an die ihnen zugeordnete erste Person zurückzugeben als Studierende mit geringem Interesse am Finanzsektor. Sie verhielten sich somit weniger „vertrauenswürdig“.
Personalauswahl der Finanzbranche
Sieben Jahre später hat das Wissenschaftler-Team die damaligen Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie noch einmal kontaktiert, um festzustellen, in welcher Branche diese heute – d.h. nach dem Studium – arbeiten. Die Forscher finden zum einen, dass ein Großteil der Studierenden – ein Drittel insgesamt – heute tatsächlich in der Finanzbranche tätig ist. Zum anderen zeigt sich, dass die Studierenden, die nach dem Studium in der Finanzbranche arbeiten, im Vertrauensspiel deutlich weniger vertrauenswürdig handeln als alle anderen Studierenden.
Junge Menschen, die von der Finanzindustrie angezogen und eingestellt werden, handeln im Schnitt weniger vertrauenswürdig als andere.
Interessanterweise finden sich auch sehr deutliche Anzeichen dafür, dass es alles andere als Zufall ist, welche Studierende nach dem Studienabschluss in der Finanzbranche landen. Die meisten Studierenden, die später in einer Bank arbeiten, haben sich während des Studiums jahrelang genau darauf vorbereitet, z.B. mit Praktika, Werkstudentenjobs bei Banken oder mit der Spezialisierung auf Finanzen im Rahmen ihres Studiums.
Das Fazit der Studie: Junge Menschen, die von der Finanzindustrie angezogen und eingestellt werden, handeln im Schnitt weniger vertrauenswürdig als andere. Dies wirft eine Reihe von Fragen zur Personalauswahl in der Finanzbranche auf.
Haben Sie eine Frage oder Anregungen? — Teilen Sie Ihre Gedanken zu diesem Forschungs-Impuls! Welchen Anteil hat die Personalauswahl an den Vertrauensverlusten in die Finanzindustrie?
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