Veränderungen in den gesellschaftlichen Herausforderungen und Bedürfnisstrukturen sowie den daraus resultierenden regulatorischen Anforderungen führen vermehrt zu einer Abkehr von einer lediglich die finanzielle Dimension unternehmerischer Tätigkeit betrachtenden und damit einer eindimensionalen Unternehmensführung, -steuerung sowie -berichterstattung. Diese Entwicklung wird im Konzept des Integrated Reporting aufgegriffen, das als Kernelement ein sog. „Integrated Thinking“ in der gesamten Corporate Governance und bei den im Unternehmen handelnden Personen einfordert. Demnach sollten bei der Leistungsmessung und -beurteilung sowie der Ermittlung der Wertschaffung von Unternehmen neben finanziellen auch ökologische, soziale und intellektuelle Ressourcen sowie die langfristigen Effekte der Unternehmenstätigkeit auf verschiedene Stakeholder des Unternehmens berücksichtigt werden. Bei dieser Ausrichtung der Unternehmensführung kommt den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen nicht nur eine gesellschaftspolitische, sondern auch eine konkret unternehmenspolitische Relevanz zu, wodurch sich interessante Verbindungen zum Konzept des Integrated Reporting ergeben.
Kurzimpuls
Die 17 Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen fordern eine ökologische, soziale und ökonomische Transformation der Gesellschaft bis 2030, um auf globaler Ebene eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Nach dem Konzept des „Integrated Thinking“ ist die Unternehmensführung sowie die Definition der Wertschaffung eines Unternehmens mehrdimensional auf den Verbrauch sowie die Erhaltung bzw. Generierung verschiedener Ressourcen und damit ganzheitlich auszurichten. Bei näherer Betrachtung zeigen sich eine Reihe von Verbindungen sowie zahlreiche interdependente, sich gegenseitig konzeptionell wie auch politisch zielführend beeinflussende Zusammenhänge zwischen diesem Konzept und den SDGs. So tragen diese nicht nur zu einer Etablierung bzw. Schärfung von Integrated Thinking in Unternehmen bei, der Einbezug von SDGs in das Integrated Thinking hilft Unternehmen u. a. auch dabei, den gesellschaftlichen Impact ihrer Geschäftsmodelle zu prüfen bzw. zu erfassen und den Erwartungen des Kapitalmarkts (besser) zu entsprechen. Die Integration von SDGs in die strategische sowie operative Unternehmensführung erweist sich als ein wichtiges Element, um in einem Unternehmen die „Nachhaltigkeitsstrategie“ in eine „nachhaltige Strategie“ zu wandeln.
Sustainable Development Goals (SDGs)
Die Sustainable Development Goals (SDGs) sind gesellschaftliche Makroziele, die von den Vereinten Nationen entwickelt und vorgegeben wurden, um die globale Gesamtentwicklung nachhaltig zu gestalten und so ein langfristig global-gesellschaftliches Zusammenleben zu ermöglichen. Obgleich ihre Formulierung sich primär an staatliche und politische Institutionen richtet, hängt ihre Erreichung im Wesentlichen auch von der intensiven Mitwirkung nicht-staatlicher Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft ab.
In konkreter Weise zeigt sich z.B. eine Transformation der makro-politischen SDGs in die Nachhaltigkeitsstrategien der EU sowie von Nationalstaaten. Auch wenn die SDGs bspw. im Rahmen gesetzlicher Regelungen nicht immer explizit erwähnt werden, dienen sie eindeutig als globale „Baseline“ nachhaltigkeitsbezogener politisch-regulatorischer Aktivitäten.
Integrated Thinking
Bei lntegrated Thinking handelt es sich um ein Unternehmensführungskonzept, das der integrierten Berichterstattung (Integrated Reporting) zugrunde liegt. Integrated Thinking basiert auf einem mehrdimensionalen, die wesentlichen Ressourcen der Unternehmensaktivität berücksichtigenden Verständnis der Wertschaffung eines Unternehmens. Dabei werden in die Beurteilung und Bemessung der Wertgenerierung neben dem finanziellen Kapital auch weitere Kapitalarten wie die natürliche Umwelt, das Humankapital, das Sozialkapital und das Intellektuelle Kapital einbezogen. Im Rahmen des lntegrated Thinking werden die finanziellen und die nicht-finanziellen Dimensionen der Beurteilung der Unternehmensleistung sowie der Wertschaffung auf die gleiche Stufe gestellt.
Gemeinsamkeiten und Zusammenhänge zwischen den SDGs und Integrated Thinking
Die SDGs sind das Ergebnis eines Integrationsgedankens der Weltgemeinschaft. Dabei werden verschiedene nationale Interessen und Zielsetzungen, die sich z. T. überlappen und gegenseitig beeinflussen, ohne Priorisierung bestimmter Ziele, in einem globalen Zielkatalog gebündelt. Eine erfolgreiche Zielerreichung wird auf globaler Ebene nur möglich sein, wenn „Zuständigkeits-Silos“ auf politischer sowie institutioneller Ebene abgebaut, bestehende Interessen von Stakeholdern ausbalanciert, thematisch inhärent bestehende Interdependenzen zwischen den verschiedenen Teilzielen berücksichtigt und Entscheidungen langfristig vor dem Hintergrund dieser impliziten Mehrdimensionalität ausgerichtet werden; allesamt Merkmale, die auch dem lntegrated Thinking inhärent sind.
Folglich besteht zwischen den SDGs und dem Integrated Thinking ein kohärentes Verhältnis. Die SDGs tragen dazu bei, Integrated Thinking in Unternehmen zu etablieren bzw. thematisch fokussierter auszubauen. Umgekehrt ist Integrated Thinking für Unternehmen ein Instrument, ihren Beitrag zur Erreichung der SDGs effektiver und effizienter leisten zu können.
Integration der SDGs in die Unternehmenssteuerung
Demnach ist es nicht verwunderlich, dass Unternehmen bei ihrer Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit zunehmend für sie relevante SDGs in ihre Überlegungen einbeziehen, bspw. im Rahmen der Analyse der Wesentlichkeiten potentiell steuerungs- und berichtsrelevanter Aspekte oder zur Konkretisierung ihrer Nachhaltigkeitsziele sowie -leistungen im Rahmen ihrer externen Berichterstattung.
Indem eine Berücksichtigung von SDGs der Unternehmensstrategie eine über die rein finanzwirtschaftliche Dimension hinausgehende, gesamtgesellschaftliche und globale Erklärungsdimension gibt, kann sie zur intrinsischen Motivation und Identifikation der Mitarbeiter:innen im Unternehmen bzw. zur Steigerung der Unternehmensreputation beitragen. Der oftmals von Unternehmen in ihrer Unternehmensstrategie formulierte „Purpose“ ihrer Tätigkeit kann durch das Zusammenspiel von SDGs und Integrated Thinking konkretisiert und klarer definiert werden.
Neben solch intrinsischen Motiven zum Einbezug von SDGs in die Unternehmensstrategie, -steuerung und -berichterstattung tragen vermehrt auch regulatorische Initiativen zu deren Relevanz für Unternehmen bei. Die Sustainable Finance-lnitiative der EU, die Finanzkapitalströme in nachhaltige Investitionsprojekte lenken will, ist bestrebt, die gesellschaftlichen Erwartungen einer nachhaltigen Unternehmens- und Anlagestrategie in konkrete regulatorische Erfordernisse zu gießen. Im Rahmen dieser Transformation spielt Integrated Thinking wiederum eine tragende Rolle, bedarf es bei Green Finance, ESG- oder SDG-Fonds einer multidimensionalen Betrachtungsweise der Interdependenzen zwischen der Unternehmenstätigkeit und dem Unternehmensumfeld.
Insgesamt ist die Integration der SDGs in die strategische und operative Unternehmensführung ein wichtiges Element, um in einem Unternehmen aus einer Nachhaltigkeitsstrategie eine nachhaltige Strategie bzw. aus einem nachhaltigkeitsbewussten Management ein nachhaltiges Management zu formen, was der Idee des lntegrated Thinking entspricht.
Relevanz der Sustainable Development Goals (SDGs) im Kontext des Integrated Thinking
Aufsatz | 40 Seiten
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