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Forschungs-Impuls

Stärkere Bilanzkontrolle = bessere Rechnungslegung? Möglichkeiten spieltheoretischer Analyse

| 3 Min. Lesezeit

Alfred Wagenhofer

Institut für Unternehmensrechnung und Controlling | Center for Accounting Research | Karl-Franzens-Universität Graz
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Die klassische Reaktion der Politik auf Bilanzskandale ist eine Verschärfung der gesetzlichen Regelungen. Das schließt auch die Bilanzkontrolle ein. Ein Beispiel dafür ist das Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz-FISG als Antwort auf den Fall Wirecard. Dem liegt die Erwartung zugrunde, dass die neuen Regelungen die Qualität der Rechnungslegung erhöhen.

Kurzimpuls

Die vorherrschende Ansicht in Praxis und Literatur geht von einer positiven Beziehung zwischen der Strenge des Enforcement und der Qualität von Rechnungslegung und Prüfung aus.  Die spieltheoretische Forschung zeigt, dass dies nicht immer zutrifft. Denn die Beteiligten an Erstellung und Kontrolle der Rechnungslegung passen ihr Verhalten als Reaktion auf die neuen Regeln an. So kann eine verstärkte Bilanzkontrolle die Qualität der Abschlussprüfung senken, was die Qualität der Rechnungslegung reduziert. Agiert die Bilanzkontrolle selbst strategisch, kann eine Verschärfung sogar dazu führen, dass es zu mehr Manipulationen kommt, weil die Bilanzkontrolle die Anreize der Investoren zu Schadenersatzklagen aushöhlt. Gut gemeinte und auf den ersten Blick plausible politische Maßnahmen zeigen im Lichte spieltheoretischer Analysen  Kontrollmechanismen im Bereich der Finanzberichterstattung.

Die spieltheoretische Forschung macht es möglich, die Auswirkungen von rechtlichen Regelungen zu analysieren und im Bereich der Finanzberichterstattung die Interaktion von Kontrollmechanismen und ihre gemeinsame Wirkung auf Manipulationsverhinderung zu erkennen und zu verstehen. Dabei berücksichtigt sie die strategischen Reaktionen der direkt und indirekt Betroffenen. Die intuitive Annahme – stärkere Bilanzkontrolle reduziert Manipulationsanreize und verbessert die Qualität der Rechnungslegung – trifft zu, wenn Kontrollmechanismen gewissermaßen wie „Maschinen“ arbeiten. In der Regel handelt es sich aber um Institutionen, in denen strategische Entscheidungen getroffen werden. Eine Verstärkung der Bilanzkontrolle führt nun zu einer Verhaltensänderung der Beteiligten und hat damit zusätzliche indirekte Wirkungen. Dies lässt sich exemplarisch an zwei typischen, aber vereinfachten Situationen zeigen: bei den Folgen für die Abschlussprüfung und bei der Interaktion zwischen strategischer Bilanzkontrolle und Investorenklagen.

Die Prüfungsqualität ist eine wirtschaftliche Entscheidung auf Basis von Kosten und Haftungsrisiken. Eine Verstärkung der Bilanzkontrolle reduziert zunächst einmal die Manipulationsanreize. Genau das ist auch intendiert. Gleichzeitig kann sie sich aber entgegengesetzt auf die Prüfungsqualität auswirken. Eine stärkere Bilanzkontrolle erhöht nämlich das Haftungsrisiko und verstärkt damit die Prüfungsanreize. Da aber das Manipulationsrisiko sinkt, dämpft dies die Prüfungsanreize. Der zweitgenannte Effekt dominiert dann, wenn die Bilanzkontrolle bereits sehr effektiv war und nun auf hohem Niveau verstärkt wird. Dann vermindert sich insgesamt die Prüfungsqualität. Da die Abschlussprüfung deutlich umfangreicher als eine ex post Bilanzkontrolle ist, vermindert sich dann die Qulität der Finanzberichterstattung insgesamt. Das wäre ein klar nichtintendierter Effekt.

In der oben beschriebenen Situation agiert die Bilanzkontrolle nichtstrategisch. Sie wird aber von Menschen durchgeführt, die Anreizen unterliegen. Ein solcher Anreiz könnte sein zu vermeiden, dass trotz Kontrolle hinterher ein Fehler bekannt wird, der in der Öffentlichkeit als Versagen der Kontrolle wahrgenommen wird. Ein solches Bild kann durch spätere schlechte Ergebnisse oder einen negativen Medienbericht eintreten. Die Investoren könnten nun das Unternehmen wegen Manipulation auf Schadensersatz verklagen, was aber mit Klagekosten verbunden wäre. Die Klageentscheidung selber hängt dann von der Einschätzung des Manipulationsrisikos, der Qualität der Bilanzkontrolle und der Ungünstigkeit des Signals ab. Stellt ein Gericht Manipulation fest, entstehen Kosten für das Unternehmen und hat negative Konsequenzen für die Bilanzkontrolle, z. B. in Form eines Reputationsverlusts.

Im Gleichgewicht hat eine Verstärkung der Bilanzkontrolle also folgende Auswirkungen: Deckt die Bilanzkontrolle keinen Fehler auf, klagen Investoren weniger oft. Die Anreize zu intensiver Bilanzkontrolle hängen von der Höhe des Klagerisikos ab: Die Kontrollintensität sinkt, wenn das ursprüngliche Klagerisiko relativ niedrig ist. Ist es hoch, steigt sie. Das Unternehmen manipuliert weniger, wenn das Klagerisiko gering ist. Es manipuliert mehr, wenn dieses hoch ist. So entsteht also bei hohem Klagerisiko das überraschende Ergebnis, dass eine verstärkte Bilanzkontrolle zu mehr Manipulationen führt. Der Grund liegt in der Interaktion mit der Entscheidung von Investoren zu klagen. Sinkt deren Klageanreiz stark, reduziert dies die Anreize der Bilanzkontrolle erheblich und schwächt damit letztlich die Effektivität beider Kontrollmechanismen.

Ein besseres Verständnis möglicher – intendierter und nichtintendierter – Wirkungen von regulativen Maßnahmen ist Voraussetzung für eine gute Regulierung.

Die formale, spieltheoretische Analyse von Interaktionen zwischen Kontrollmechanismen hilft, die Wirkungen regulativer Maßnahmen besser einzuschätzen. Ein besseres Verständnis möglicher – intendierter und nichtintendierter – Wirkungen von regulativen Maßnahmen ist Voraussetzung für eine gute Regulierung.

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Aufsatz | 9 Seiten
Beitrag in Heftausgabe

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