{# File Endings #} {# #} {# #} {# #} {# Contact #} {# Social Media #}
Debattenbeitrag

Die globale Mindeststeuer praktikabel machen

Deborah Schanz

Institut für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre | Ludwig-Maximilians-Universität München
Mehr

Ulrike Schramm

Global Head of Tax | Continental AG
Mehr

Unter der Federführung der Industrieländerorganisation OECD einigten sich 2021 mehr als 135 Staaten auf einen Kompromiss für die Einführung einer weltweiten Mindeststeuer für multinationale Konzerne, der jedem Staat volle Freiheit für die Gestaltung seiner Steuergesetze lässt, gleichzeitig aber sicherstellt, dass sämtliche Konzerngewinne, unabhängig davon, wo sie anfallen, mit mindestens 15% Steuern belastet sind. Ziel ist die Angleichung der Wettbewerbsbedingungen.

Kurzimpuls

Im Jahr 2021 haben sich 137 Länder auf eine globale Mindeststeuer von 15% geeinigt, die darauf abzielt, dass sämtliche Gewinne großer multinationaler Unternehmen dieser Mindeststeuer unterliegen. Allerdings kritisieren betroffene Unternehmen die Komplexität des neuen Regelungswerkes, den damit verbundenen hohen Befolgungsaufwand sowie die Umsetzungskosten. So ist beispielsweise jeder Konzern mit einem Umsatz von über 750 Mio. € grundsätzlich dazu verpflichtet, für jedes Land, in dem er tätig ist, zu prüfen, ob der effektive Steuersatz aller seiner in dem jeweiligen Land tätigen Unternehmen zusammen unter dem Mindeststeuersatz von 15% liegt.

Der auf Einladung der OECD ausgearbeitete  Vereinfachungsvorschlag eines Forscherteams um Prof. Dr. Joachim Englisch, Leiter des Instituts für Steuerrecht an der WWU Münster, und Prof. Dr. Deborah Schanz, Leiterin des Instituts für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der LMU München, sieht ein zweifstufiges Verfahren mit einem Test auf Länderebene und, falls erforderlich, einen Test auf Unternehmensebene vor: In der ersten Teststufe wird eine Analyse der Steuersätze und der Steuerbemessungsgrundlagen eines Landes durchgeführt, um festzustellen, ob es sich bei dem Land generell um ein Land mit geringem oder mit einem entsprechend hohem Risiko einer zu niedrigen Besteuerung handelt. Von einem hohen Risiko ist etwa dann auszugehen, wenn der Steuersatz unter 15%  liegt oder hohe Unterschiede zwischen den Steuerbemessungsgrundlagen der Mindeststeuer und der nationalen Steuer vorliegen. Ein weiterer vereinfachter Test auf Unternehmensebene ist nur erforderlich, wenn ein Risiko zu niedrig besteuerter Gewinne besteht. Der Vorschlag schafft somit einen administrativen “Safe Harbor”, der geeignet wäre, die Akzeptanz bei betroffenen Unternehmen zu fördern und die Einhaltung der Vorschriften bzw. deren Überprüfung auf Unternehmens- und Finanzverwaltungsseite zu erleichtern.

Ein Jahrhundertprojekt im Praxistest

Das Konzept der globalen Mindeststeuer richtet sich an multinationale Konzerne mit einem weltweiten Umsatz von mehr als 750 Millionen €. Es sieht vor, dass für den Fall, dass Konzerngewinne in einem Land mit weniger als 15% besteuert werden, ein anderes Land – im Regelfall der Sitzstaat der obersten Muttergesellschaft – die entstandene Besteuerungslücke schließen darf, so dass für sämtliche Gewinne eine Mindestbesteuerung von 15% sichergestellt ist. Nachdem erste Unternehmen die „Jahrhundertreform“ simulierten, offenbarten sich zahlreiche rechtliche und prozessuale Herausforderungen.

Internationale Rechnungslegung kein verlässlicher Indikator für Mindeststeuer

Die Berechnung der globalen Mindeststeuer gestaltet sich so aufwendig, weil es kein einheitliches “Welt­steuersystem“ gibt. Die einfache Formel „Steuersatz mal Gewinn“ scheitert daran, dass die Gewinnbegriffe verschiedener Länder teils erheblich voneinander abweichen. Vor diesem Hintergrund einigten sich die mehr als 135 beteiligten Staaten darauf, auf nationale Gewinnbegriffe bei der Ermittlung der globalen Mindeststeuer zu verzichten und statt dessen die Jahresabschlüsse heranzuziehen, die auf Basis international anerkannter Rechnungslegungsstandards erstellt werden (aber in der Praxis nur in Einzelfällen vorliegen dürften).

Auf den ersten Blick erscheint die Nutzung dieser Daten sehr vielversprechend: Es wird je Konzern ein einheitliches Rechnungs­legungssystem verwendet und die Daten liegen bereits auf Länderebene heruntergebrochen vor. Auf den zweiten Blick führt der Umstand, dass die internationale Rech­nungslegung als Informationsgrundlage für Kapitalgeber und nicht der Be­steuerung dient, aus Sicht der Mindeststeuer dann aber doch zu einem großen Nachteil. Da sich die Zielsetzung einer Bilanzierung und Ge­winn­ermittlung für Kapitalmarktzwecke teilweise er­heblich von der für die Besteuerung unterscheidet, hat sich die OECD mit den beteiligten Ländern auf massive permanente Korrekturen des nach internationa­len Rechnungslegungsstandard ermittelten Gewinn geeinigt. Neben permanenten Korrekturen müssen zahlreiche temporäre Anpassungen vorgenommen werden. Im Ergebnis sind die effektiven Steuersätze, die bisher nach einem internationalen Rechnungslegungsstandard ermittelt worden sind und derzeit den Unter­nehmen als Orientierung dienen, kein verlässlicher Indikator mehr, ob eine Mindeststeuer für ein bestimmtes Land zu zahlen ist oder nicht.

Dokumentationskosten könnten Steuerzahlungen übersteigen

Nicht die Mindeststeuer selbst, sondern die hohen Dokumentationskosten entpuppen sich als unerwartete Belastung.

Sowohl auf Seiten der Unternehmen als auch auf Seiten der Finanzverwaltung gingen viele davon aus, dass 15% Steuern in der Großzahl der Länder ohnehin gezahlt werden. Die Schlussfolgerung, die Einführung der Mindeststeuer würde sie daher kaum belasten, ist jedoch trügerisch, denn die Mindeststeuerregeln müssen in allen weltweiten Konzerneinheiten – oft Hunderten – gesetzeskonform angewendet werden. Nicht die Mindeststeuer selbst, sondern die hohen Dokumentationskosten entpuppen sich als unerwartete Belastung. Eine Belastung, die niemandem nützt, da sie für keinen Staat Steueraufkommen generiert, sondern nur weitere Kosten für die Überprüfung durch die Finanzverwaltung nach sich zieht.

Vereinfachungsvorschlag von Döllefeld, Englisch, Harst, Schanz und Siegel (2021)

Tax administrative guidance: A proposal for simplifying Pillar Two.

Dieses Missverhältnis greift der auf Einladung der OECD entwickelte Vereinfachungsvorschlag von Döllefeld, Englisch, Harst, Schanz und Siegel (2021) auf. Er hat das Ziel, das Risiko von Ländern zu beurteilen, dass in ihnen ansässige Unternehmen eine Steuerbelastung unterhalb von 15% erzielen. Er wird in zwei Stufen durchgeführt, einem Länder­test und gege­benenfalls einem Unternehmenstest.

Sorgen ein hoher Steuer­satz und die Regeln zur Gewinnberechnung in einem Land für Steuerzahlungen über 15%, hätte der landesspezifische Test zum Er­gebnis, dass zukünftig alle Unternehmenseinheiten in diesem Land von der Berechnung der Mindest­steuer befreit wären. Sowohl für Unter­nehmen als auch Finanzverwal­tungen entfielen weitere Bürokratiekosten. Nur in Niedrigsteuerländern müssten Unternehmenseinheiten weiterhin die voll­ständigen Berechnungen für die globale Mindeststeuer durchführen. Bei Vorliegen von wenigen Begünsti­gungen in einem Land würden diese durch den Ländertest als „red flags“ identifiziert.

In diesen „red flag“-Fällen käme es zur zweiten Stufe, dem Unter­nehmenstest. In einer stark vereinfachten Steuerberechnung würden Un­ternehmen diese „red flags“ in bereits vorhandene Steuerberechnungen einbeziehen und könnten so nachweisen, wieviel Steuern sie zahlen. Bei einem effektiven Steuersatz von mindestens 15% auf Basis dieser sehr einfachen Berechnung würde keine Mindeststeuer erhoben. Nur bei einem vereinfachten Steuersatz unterhalb von 15% müsste eine vollständige Mindeststeuerberechnung erfolgen.

Die stark vereinfachte Gewinnberechnung könnte nicht nur bei der Prüfung der 15% herangezogen werden. Da die Mindeststeuer erst ab einem Landesgewinn von 1 Mio. Euro erhoben werden, böte sich die Anwendung z.B. auch zum Nachweis an, dass diese Grenze unterschritten wird.  

Die Idee für eine praktikable Mindeststeuer ist also da. Diese gilt es nun im politischen Prozess nicht nur auf Ebene der OECD, sondern auch für die Europäische Union, verbindlich umzusetzen.

Mehr zum Thema

Die globale Mindeststeuer – eine Gratwanderung zwischen fairer Besteuerung und Überadministration

Aufsatz | 7 Seiten

Diskutieren Sie mit – welche Probleme sehen Sie beim Jahrhundertprojekkt der globalen Mindeststeuer? Wie beurteilen Sie den Vereinfachungsvorschlag des Forscherteams?

Kommentieren

Ihre E-Mail-Adresse ist erforderlich, um einen Kommentar abgeben zu können. Nur Ihr Name wird für andere sichtbar sein, Ihre E-Mail-Adresse wird NICHT veröffentlicht. Bitte beachten Sie, dass der Kommentarbereich moderiert wird - dies ist notwendig, um Spammer und Netznutzer fernzuhalten.