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Forschungs-Impuls

Der Einfluss von Einkommen und Konjunktur auf das Einkaufsverhalten im Lebensmitteleinzelhandel

| 5 Min. Lesezeit

Thomas P. Scholdra

Seminar für Handel und Kundenmanagement | Universität zu Köln
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Julian R. K. Wichmann

Seminar für Handel und Kundenmanagement | Universität zu Köln
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Maik Eisenbeiß

markstones Institute of Marketing, Branding & Technology | Universität Bremen
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Werner J. Reinartz

Seminar für Handel und Kundenmanagement, Universität zu Köln
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Wie und wie stark passen Haushalte ihr Einkaufsverhalten im Lebensmitteleinzelhandel an, wenn sich das individuelle Einkommen oder die Konjunkturlage ändert? Durch die Beobachtung der Warenkorballokation über Markentypen und Handelsformate hinweg sowie des Warenkorbwerts in Bezug auf Gesamtausgaben, Kaufvolumen und Preise liefert die Studie von Scholdra, Wichmann, Eisenbeiß und Reinartz (2022) eine umfassende Analyse der Kaufverhaltensänderungen, die durch Mikro- und Makrobedingungen verursacht werden.

Kurzimpuls

Wirtschaftliche Bedingungen haben einen signifikanten Einfluss auf das Einkaufsverhalten von Haushalten. Dabei beeinflussen mikroökonomische, d.h. das persönliche Einkommen eines Haushaltes, sowie makroökonomische Bedingungen, d.h. der Konjunkturzyklus eines Landes, das Einkaufsverhalten von Haushalten auf sehr unterschiedliche Art und Weise: Mikroökonomische Veränderungen führen insbesondere zu Mengenanpassungen. Haushalte kaufen also nach Einkommensverlusten weniger Produkte und geben damit insgesamt auch weniger aus. Im Gegensatz dazu führen makroökonomische Veränderungen zu ausgeprägten strukturellen Verschiebungen in der Zusammenstellung von Warenkörben. In Rezessionsphasen verlagern Haushalte ihre Einkäufe auf Handelsmarken, kaufen jedoch insgesamt mehr und geben folglich auch mehr aus. In Expansionsphasen hingegen kaufen Haushalte verstärkt Herstellermarken, halten aber ihre Gesamtausgaben konstant, indem sie verstärkt zu Angebotspreisen greifen.

Nach rund einer Dekade des kontinuierlichen Wirtschaftswachstums hat die im Februar 2020 begonnene COVID-19-Pandemie beispiellos gezeigt, wie weitreichend wirtschaftliche Veränderungen das alltägliche Leben be­ein­flussen. Diese Veränderungen können auf persönlicher, mikro­ökonomischer Ebene stattfinden, etwa wenn das individuelle Einkommen privater Haushalte durch Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit und Aus­übungs­verbote unter Druck gerät. Auf makroökonomischer Ebene können sich wirt­schaftliche Veränderungen in ausgeprägten Rezessions- und Expan­sions­phasen des Konjunkturzyklus manifestieren.

Auswirkungen auf Warenkorbwert und Warenkorballokation

Mit Hilfe von Transaktionsdaten von mehr als 5.000 deutschen Haushalten über acht Jahre wird gezeigt, dass sich mikroökonomische Bedingungen haupt­sächlich auf den Warenkorbwert der Haushalte auswirken, während makro­ökonomische Bedingungen nicht nur den Warenkorbwert, sondern auch die Warenkorballokation beeinflussen.

Einkommenszuwächse haben keinen signifikanten Ein­fluss auf das Einkaufsverhalten im Lebensmitteleinzelhandel, Einkommensverluste hingegen schon.

Einkommenszuwächse haben keinen signifikanten Ein­fluss auf das Einkaufsverhalten im Lebensmitteleinzelhandel, Ein­kommensverluste hingegen schon. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass Haushalte recht schnell Ausgaben reduzieren, wenn das zur Ver­fügung stehende Budget knapper wird. Gleichzeitig wird der Konsum von Gütern des täglichen Bedarfs nur langsam nach Einkommenszuwächsen angepasst.

Makroökonomische Veränderungen führen zu ausgeprägten strukturellen Verschiebungen in der Zusammenstellung von Warenkörben, die sich dann entsprechend in den Gesamtausgaben widerspiegeln. In Rezessionsphasen verlagern Haushalte ihre Einkäufe auf Handelsmarken, kaufen jedoch insgesamt mehr und geben folglich auch mehr aus. In Expansionsphasen hingegen kaufen Haushalte verstärkt Herstellermarken, halten aber ihre Gesamtausgaben konstant, indem sie verstärkt zu Angebotspreisen greifen.

Makroökonomische Veränderungen führen zu ausgeprägten strukturellen Verschiebungen in der Zusammenstellung von Warenkörben.

Während sich gesamtwirtschaftliche Abschwünge stärker auf den Warenkorbwert der Haushalte auswirken als dies bei gesamtwirtschaftlichen Aufschwüngen der Fall ist, sind die Elastizitäten der Warenkorballokation in Aufschwungphasen größer. Insgesamt sind die Asymmetrien zwischen positiven und negativen Wirtschaftsbedingungen auf der Makro-Ebene deutlich ausgeprägter als auf der Mikro-Ebene.

Management-Implikationen bei individuellen Einkommensveränderungen

Individuelle Einkommensveränderungen sind sowohl für Hersteller als auch für Händler schwierig zu identifizieren. Doch wie könnten sie darauf reagieren? Bei schrumpfenden Budgets greifen Haushalte seltener zu Handelsmarken in Discountern sowie Herstellermarken in Non-Discountern. Um die negativen Auswirkungen von sinkenden Ein­kommensniveaus auszugleichen, könnten sowohl Hersteller als auch Dis­counter durch Listungen von Handelsmarken in Discountern profitieren. Dies gilt im Speziellen für sogenannte Hard-Discounter wie Aldi und Lidl, deren Hauptumsatz normalerweise aus dem eigenen Handelsmarkensortiment stammt.

Wenn, wie angenommen, sich Einkommens­verluste auch in einem geschwächten Selbstbewusstsein der Haushalte manifestieren, könnten Marken­hersteller und Non-Discounter diesen Umstand nutzen und in ihrer Marke­tingkommunikation stärker auf entsprechende statusbildende Eigen­schaften der Marke setzen.

Da Einkommensverluste insgesamt zu redu­ziertem Konsum führen, könnten Hersteller und Händler insbesondere die Produktkategorien mittels Marketingmaßnahmen hervorheben, die von diesem Konsumrückgang am stärksten betroffen sind.

Management-Implikationen bei gesamt­wirtschaftlichen Veränderungen

Makroökonomische Veränderungen beeinflussen im Wesentlichen die Zu­sammenstellung von Warenkörben sowie dessen Gesamtwert. Was heißt dies für Hersteller und Handel? Durch die steigende Akzeptanz von Handelsmarken in Rezessionsphasen könnten Lebensmitteleinzelhändler die Chance nutzen und ihr Handelsmarken-Portfolio in höhere Preissegmente und komplexere Produktkategorien mit hohem Involvement erweitern. Außerdem könnten sie die Preisdifferenz zu Herstellermarken ver­ringern und ihr Branding stärken, um in nachfolgenden Expansionen den Verschiebungen der Haushalte zurück zu den Herstellermarken entgegen­zuwirken. Während Expansionen könnten sie dann profitablere Preis­aktionen anbieten.

Insbesondere Non-Discounter könnten Preiserhöhungen bei ihren Han­delsmarken umsetzen, da sie von zunehmenden Budgetrestriktionen der Haushalte nicht betroffen sind. Wegen der antizyklischen Anfälligkeit von Handelsmarken sollten Lebensmitteleinzelhändler ihr Sortiment ent­sprechend anpassen und den Handelsmarken-Anteil während Expansio­nen verringern und bei Rezessionen erhöhen. Während Hard-Discounter besonders anfällig für ungünstige Mikro-Bedingungen sind, können für Soft-Discounter (d.h. Discounter mit einem relativ niedrigen Handels­markenanteil) in Rezessionen Probleme auftreten. Diese sind auf die er­heblichen negativen Auswirkungen von Herstellermarken, die in Discoun­tern gekauft werden, und ihren vergleichsweisen geringen Anteil an Han­delsmarken, die die Verluste ausgleichen können, zurückzuführen.

Die Umverteilung von Ausgaben für Handelsmarken in wirtschaftlichen Abschwungphasen hängt nicht von monetären Faktoren ab, sondern sind Ausdruck sich ändernder Einstellungen gegenüber sparsamem Konsum in der Gesellschaft. Hieraus ergeben sich wichtige Implikationen für Manager: Herstellermarken und Lebensmitteleinzelhändler könnten kostspielige Preissenkungen vermeiden, die angesichts des nicht eingeschränkten Budgets ineffektiv sind, und stattdessen Maßnahmen ergreifen, die die Wahrnehmung von Frugalität stärken. Diese Maßnahmen können den Haushalten frugalen Konsum ermöglichen, gleichzeitig aber auch für den Lebensmitteleinzelhändler oder Hersteller wirtschaftlich sein.

Zum Beispiel könnten durch Treueprogramme niedrige Preisnachlässe und kleine Belohnungen angeboten werden, die den Haushalten ein Gefühl von Sparsamkeit vermitteln. Die Verteilung von (digitalen) Flyern könnte ein Gefühl der Kontrolle über den geplanten Einkaufsbummel erzeugen. Manager von Herstellermarken könnten auch erwägen, die Packungsgröße zu erhöhen, da größere Packungen oft mit einem niedrigeren Preis pro Einheit einher­gehen.

Insgesamt wird deutlich: Die explizite Unterscheidung von mikro- und makroökonomischen Bedingungen sowie deren Effekte auf das Einkaufsverhalten individueller Haushalte hat einen großen diagnostischen und normativen Wert für Manager und liefert einen wichtigen Beitrag zu bisherigen Untersuchungen zu Konjunktureffekten.

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Aufsatz | 13 Seiten

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