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Forschungs-Impuls

Premiummitgliedschaften als Booster in Karrierenetzwerken?

Michael Weiler

Stellvertretender Erhebungsstellenleiter Zensus 2022 | Stadt Mannheim
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Simon Stolz

Manager | Publicis Sapient
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Andreas Lanz

Assistant Professor of Marketing | HEC Paris
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Christian Schlereth

Lehrstuhl für Digitales Marketing | WHU – Otto Beisheim School of Management
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Oliver Hinz

Professur für Betriebswirtschaftslehre insb. Wirtschaftsinformatik und Informationsmanagement | Goethe-Universität Frankfurt am Main
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Karrierenetzwerke bieten kostenpflichtige Premiummitgliedschaften, damit Nutzer:innen deutlich effektiver netzwerken können. Doch erfüllen Karrierenetzwerke tatsächlich dieses Versprechen?

Kurzimpuls

Als Premiummitglied in Karrierenetzwerken erhalten Nutzer:innen zusätzliche Funktionen. Insbesondere der Aufbau eines großen Netzwerkes von hilfreichen Kontakten ist eines der häufig beworbenen Hauptziele. Mittels eines Feldexperiments, bei dem Premiummitgliedschaften unter 215 Freelancern verlost wurden, und der Analyse von umfangreichen Individualdaten zur Plattformnutzung, beleuchtet eine aktuelle Studie in MIS Quarterly die kausalen Auswirkungen der Premiummitgliedschaft auf die Bildung von sozialem Kapital. Die Ergebnisse zeigen, dass aktive Nutzer:innen mit einem Bedürfnis zu netzwerken, überproportional von der Premiummitgliedschaft profitieren. Nutzer:innen ohne dieses Bedürfnis, die auf passive Funktionalitäten (wie das Hervorheben ihres Nutzerprofils) hoffen, erweiterten ihr Netzwerk trotz Premiummitgliedschaft nur ähnlich stark wie bei Basismitgliedschaft.

Viele soziale Netzwerke folgen dem „Freemium“-Geschäftsmodell: Über eine Basismitgliedschaft kann eine große Nutzerschaft gewonnen und ge­hal­ten werden. Die kostenpflichtige Premiummitgliedschaft schaltet da­rüber hinaus zusätzliche Funktionen frei und verspricht den zahlenden Nut­zer:innen einen deutlichen Mehrwert. Karrierenetzwerke, wie LinkedIn, Xing oder Viadeo, bewerben diese Premiummitgliedschaften häu­fig mit Aussagen wie „Vergrößere dein Netzwerk“ oder „Premium­mit­glie­der erhalten mehr Profilbesuche“. In solchen Karrierenetzwerken ist der Wert dieses „sozialen Kapitals“ vorwiegend durch die Mög­lich­keiten in­ner­halb des eigenen Netzwerkes gegeben, um beispielsweise neue Stel­len zu finden, neue Projekte zu akquirieren oder auch neue Mit­arbei­ter:innen für das eigene Unternehmen zu gewinnen.

In einem Beitrag in MIS Quarterly (Weiler et al. 2021) erforschen die Auto­ren in solchen Karrierenetzwerken die kausalen Auswirkungen und Me­cha­nismen der Pre­miummitgliedschaft auf den Aufbau des sozialen Ka­pi­tals. Die Ana­lyse ist aufgrund von Selbstselektion heraus­fordernd, denn nur die­jenigen Nutzer:innen werden eine Pre­mium­mit­gliedschaft ab­schließen, die sich einen Nutzen daraus erhoffen oder auf den Aufbau von so­zialem Ka­pital angewiesen sind. Die Autoren gehen diese Heraus­forderung auf zwei­fache Weise an: In einem Feldexperiment ver­losen sie in­ner­halb eines Pools von Freelancern 75 Pre­mium­mit­glied­schaften und ver­gleichen, ob die zufällig ausgewählten Gewinner:innen der Premium­mit­gliedschaft so­zi­ales Kapital deutlich stärker im Vergleich zu Nicht-Ge­winnern aufbauen kön­nen. Im Fokus ihrer Studie stehen Free­lancer:innen, da diese beruflich auf ihr Netzwerk angewiesen sind. Um den zu­grunde­liegenden Me­cha­nis­mus zu erforschen, also ob eher aktive oder passive Premium­funktionen für den Aufbau verantwortlich sind, setzen die Autoren Individual­nutzungs­daten von mehr als 50.000 Freelancern ge­paart mit statistischen Me­thoden wie Instrumentalvariablen und einem viel­schichtigen Pro­pen­si­ty Score Matching ein, um eine umfassende Per­spek­tive auf die Wir­kungs­weise zu erhalten.

Wesentliche Ergebnisse

Die Ergebnisse des Feldexperiments zeigen, dass die reine Vergabe der Pre­mium­mitgliedschaften unwirksam ist, um das soziale Kapital eines Nut­zers überproportional zu steigern. Jedoch zeigt sich, dass Nut­zer:innen, die in einer Befragung angegeben hatten, besonders stark am Netz­werken interessiert zu sein, von der Premiummitgliedschaft pro­fi­tieren. Aus der signifikanten Interaktion zwischen Premium­mit­glied­schaft und Netzwerkbedürfnis leiten die Autoren ab, dass besonders Nut­zer:innen von den Premiumfunktionalitäten profitieren, wenn sie eine in­trin­sische Motivation zum strategischen Netzwerken haben. Bei diesen Nut­zern „entfesselt“ die Premiummitgliedschaft das Netzwerkwachstum. Außer­dem ist dies ein Indiz dafür, dass sich die Premiummitgliedschaften nicht ohne das Zutun des Nutzers positiv auf dessen Netzwerk auswirken.

Aus der signifikanten Interaktion zwischen Premiummitgliedschaft und Netzwerkbedürfnis leiten die Autoren ab, dass besonders Nutzer:innen von den Premiumfunktionalitäten profitieren, wenn sie eine intrinsische Motivation zum strategischen Netzwerken haben.

Um den zugrundeliegenden Mechanismus weiter zu erforschen, be­trach­ten die Autoren die anonymisierten, monatlichen Nutzungsdaten von einem großen Sample an Freelancern vor und nach Abschluss einer Pre­mium­mitgliedschaft. Die Änderung des Verhaltens der Pre­mium­nutzer:innen kann von „aktiv“ genutzten Zusatzfunktionen gestützt wer­den. Etwa kann ein Premiumnutzer auf erweiterte Suchfunktionen zu­grei­fen. Während ein allgemeiner Anstieg der Plattformnutzung bei Premium­nutzern bereits bekannt ist (Bapna, Ramaprasad und Umyarov 2018), kön­nen die aktiv zu nutzenden Premiumfunktionen dieses Ver­halten noch weiter beflügeln. Gleichzeitig betrachten die Autoren die Ände­rung des Ver­haltens in Bezug auf den Nutzer, welches unter den Pre­mium­nutzern von „passiv“ genutzten Premiumfunktionen gestützt wird. Bei­spielsweise sind Premiumnutzer:innen durch die prominente Platzie­rung eines far­bi­gen Abzeichens als „Premiumnutzer:innen“ gut erkennbar, un­abhängig von ihrer eigenen Aktivität, was theoretisch ebenfalls zu einem Ausbau des Netz­werkes führen könnte (Hinz, Spann und Hann 2015). In der Analyse des kom­ple­mentären Datensatzes der mehr als 50.000 Free­lancer zeigt sich aller­dings, dass vor allem die eigene Aktivität der Pre­mium­nutzer:innen un­mittel­bar nach dem Kauf steigt und dann graduell ab­fällt. Auf der passiven Seite ändert sich das Verhalten des Umfeldes in Be­zug auf das Profil hin­gegen nur in geringerem Ausmaß. Die Netz­werk­er­wei­terung fällt eher mit der kurzfristigen Aktivitätssteigerung zeitlich zu­sammen.

Durch den großen und sehr reichhaltigen Datensatz unterschiedlichster Nutzer­attribute ist es möglich, eine relevantere Vergleichsgruppe zu se­lek­tieren und so den Effekt der Premiummitgliedschaft besser zu unter­suchen. Wie diese Folgeanalyse zeigt, ist es besonders das aktive Ver­halten während der Premiummitgliedschaft, welches mit gesteigertem Netz­werkaufbau einhergeht. Insbesondere das Verhalten, aktiv Nach­richten zu versenden, was unter Premiumnutzern sogar über das eigene Netz­werk hinaus möglich ist, zeigte sich als erfolgreiche Strategie, um als Pre­miumnutzer:in das eigene Netzwerk zu erweitern.

Implikationen für Unternehmen und Nutzer:innen

Eines der Hauptziele der Karrierenetzwerke ist es, eine aktive Plattform zu schaffen. Je aktiver das Netzwerk und je mehr Nutzer:innen registriert sind, desto nützlicher ist die Mitgliedschaft und desto attraktiver wird die Platt­form für neue Nutzer:innen (Hinz, Otter und Skiera 2020).

Wer ohnehin nur ein schwaches Bedürfnis hat, sein Netzwerk auszubauen, wird durch eine Gratispremiummitgliedschaft kaum sein Verhalten ändern.

Daher ist es im Interesse der Karrierenetzwerke, die Nutzerschaft zu akti­vie­ren und die Vernetzung unter den Mitgliedern anzuregen. Die Er­geb­nisse der Studie zeigen hierzu, dass „schlafende“ Nutzer:innen im Netz­werk mit einer Premiummitgliedschaft nur schwer „geweckt“ werden kön­nen. Wer ohnehin nur ein schwaches Bedürfnis hat, sein Netzwerk aus­zu­bauen, wird durch eine Gratispremiummitgliedschaft kaum sein Ver­halten ändern.

Umgekehrt profitieren besonders Nutzer:innen mit hohem Bedürfnis zu netz­werken von der Premiummitgliedschaft. Wie die Studie zeigt, äußert sich dieses Bedürfnis auch im vorigen Verhalten – insbesondere in der An­zahl der zuvor versendeten Kontaktanfragen. Daher empfehlen die Au­to­ren Unternehmen, eher bereits aktiven Nutzern mit Preisnachlässen und Ra­batten Belohnungsanreize zu bieten und so weitere „Power User“ zu schaffen, welche den Ausbau des gesamten Netzwerkes voranbringen.

Die in dem Beitrag eingesetzten Methoden helfen zudem Nutzer:innen von Karriere­netzwerken, besser zu verstehen, welche konkreten Premium­funk­tionalitäten welchen Mehrwert bieten. So erweist sich beispielsweise be­sonders die Messengerfunktion bzw. die Premiummöglichkeit, Nut­zer:innen außerhalb des eigenen Netzwerks anzuschreiben, als wert­stiftend. Eine Implikation daraus ist, dass Karrierenetzwerke hinterfragen soll­ten, ob diese Messengerfunktion wirklich unbegrenzt allen Pre­mium­mit­gliedern zur Verfügung gestellt werden sollte, oder ob es sinnvoller wäre, den Preis für die Premiummitgliedschaft nach der Intensität zu diffe­renzieren, mit der Nutzer:innen diese Funktionalität einsetzen. Ins­be­son­dere mengenbezogene Preismechanismen wie “Bucket Pricing” (Schlereth und  Skiera 2012) würden sich hier eignen.

Für die Nutzer:innen der Karrierenetzwerke vermittelt der For­schungs­bei­trag außerdem ein besseres Bild darüber, wie sich die Premium­mit­glied­schaft auswirkt. Die Mitgliedschaft lohnt sich vor allem für Nut­zer:innen, die ohnehin das Netzwerk bereits aktiv nutzen, um sich zu ver­netzen. Eine Er­wartung, dass sich die Premiummitgliedschaft bereits passiv auf ihr Netz­werk auswirkt, sollten die Nutzer:innen hingegen nicht haben.

Quellen

Bapna, R., J. Ramaprasad, A. Umyarov. 2018. Monetizing freemium com­munities: Does paying for premium increase social engagement? Mana­ge­ment Information Systems Quarterly 42(3): 719-735.

Hinz, O., M. Spann, I.-H. Hann. 2015. Research note—can’t buy me love… or can I? Social capital attainment through conspicuous consumption in virtual environments. Information Systems Research 26(4): 859-870.

Hinz, O., T. Otter, B. Skiera. 2020. Estimating network effects in two-sided markets. Journal of Management Information Systems 37(1): 12-38.

Schlereth, C., B. Skiera. 2012. Measurement of consumer preferences for bucket pricing plans with different service attributes. International Jour­nal of Research in Marketing 29(2): 167-180.

Weiler, M. et al. 2021. Social Capital Accumulation Through Social Media Net­works: Evidence from a Randomized Field Experiment and Individual-Level Panel Data. Management Information Systems Quarterly forth­coming.

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