Endlich haben das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und das Bundesministerium der Finanzen im Zuge des Rentenpakets II den Referentenentwurf für das Generationenkapital auf den Weg gebracht. Dies war längst überfällig, denn ohne mehr Aktien und Kapitalmarkt ist eine zukunftsfähige Altersvorsorge nicht zu bewältigen. Der jetzige Vorstoß kann aber nur ein Anfang sein. Denn Aktien in der Altersvorsorge erhöhen nicht nur den Lebensstandard kommender Rentnergenerationen, sie aktivieren auch die Finanzierung börsennotierter Unternehmen, indem ein Kapitalfluss gesichert wird, der zur Finanzierung von Digitalisierung und Energiewende beiträgt.
Kurzimpuls
Das Generationenkapital als Teil des Rentenpakets II setzt auf Aktien zur Sicherung der Altersvorsorge. Es soll der Anspannung bei der Finanzierung der Rente aufgrund des demografischen Wandels entgegenwirken. Allerdings ist für eine spürbare Entlastung mehr Ambition und eine echte Beitragsfinanzierung notwendig. Zusätzlich müssen Reformen in der privaten Altersvorsorge dafür sorgen, dass die Sparerinnen und Sparer auch in der dritten Säule mehr mit Aktien für das Alter vorsorgen. Willkommener Nebeneffekt der kapitalgedeckten Altersvorsorge ist ein Schub in der Unternehmensfinanzierung, der für die Bewältigung der anstehenden Herausforderungen dringend nötig ist. Auch die Politik hat das erkannt und muss jetzt schnell und ambitioniert handeln.
Abfedern des demografischen Wandels mit Aktien
Mit dem demographischen Wandel steht eine sinkende Anzahl an Erwerbstätigen vor der Aufgabe, die Renten einer stetig wachsenden Gruppe älterer Menschen zu finanzieren. Besonders brisant wird die Situation, wenn ab 2025 die geburtenstarken Jahrgänge der Baby-Boomer in den Ruhestand treten. Damit verschiebt sich das Verhältnis von Beitragszahlern und Rentnern dramatisch.
Um die Renten zu stabilisieren, hat die Ampelkoalition mit dem im März 2024 vorgestellten Rentenpaket II das Ziel klar abgesteckt: Das Rentenniveau mittelfristig bei 48 Prozent des Durchschnittslohns halten. Die Finanzierung dieser Haltelinie ist angesichts der ohnehin schon absehbaren Beitragssteigerungen eine enorme Herausforderung. Schon heute schießt der Staat aus dem Haushalt jährlich rund 100 Milliarden Euro zu, um die Rentenversicherung zu stabilisieren.
Um den Haushalt nicht noch weiter zu strapazieren, sollen künftig Erträge aus einem Kapitalstock einen zusätzlichen Finanzierungsbeitrag leisten. Der als „Generationenkapital“ bezeichnete Kapitalstock, der aus Staatsschulden finanziert wird, soll im Jahr 2024 mit 12 Milliarden Euro gefüttert werden. In den folgenden Jahren sollen die Zuführungen jährlich um 3 Prozent erhöht werden. Davon erhofft sich die Politik einen Kapitalstock von über 200 Milliarden Euro im Jahr 2035. Aus dem Kapitalstock wird ab 2036 mit Ausschüttungen von jährlich 10 Milliarden Euro gerechnet, die die Finanzierungslage der gesetzlichen Rentenversicherung entspannen sollen. Die Anlage des Generationenkapitals soll global diversifiziert erfolgen. Der Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung (KENFO) wird die Verwaltung und Anlage des Generationenkapitals übernehmen.
Mehr Ambitionen beim Generationenkapital sind notwendig
Ohne eine attraktive Rendite wird der gewünschte Betrag nicht zu erreichen sein. Die Anlage in Aktien ist insofern schlüssig und ein erster Schritt in die richtige Richtung hin zur Kapitaldeckung in der gesetzlichen Rente. Man muss kein Rentenexperte sein, um festzustellen, dass die Pläne zum Generationenkapital die Zuschüsse des Staates nur wenig entlasten.
Derzeit erfordert die Finanzierung eines Beitragsprozentpunktes knapp 18 Milliarden Euro. Bei einer vorsichtig geschätzten Erhöhung der Löhne von zwei Prozent jährlich, die zu einer entsprechenden Rentensteigerung führt, wächst der Finanzbedarf für einen Beitragsprozentpunkt bis zum Jahr 2036 auf etwas mehr als 23 Milliarden Euro. Die geplanten Ausschüttungen von 10 Milliarden Euro würden also die Kosten der gesetzlichen Rentenversicherung nicht einmal um einen halben Beitragsprozentpunkt entlasten. Der Haushalt würde insofern weiterhin jährlich zunehmend belastet.
Damit das Generationenkapital nicht nur eine kurzfristig wirkende Beruhigungspille wird und es nicht beim berühmten „Tropfen auf dem heißen Stein“ bleibt, ist ein weitaus ambitionierterer Ansatz für die Sicherung der Rente unabdingbar.
Damit das Generationenkapital nicht nur eine kurzfristig wirkende Beruhigungspille wird und es nicht beim berühmten „Tropfen auf dem heißen Stein“ bleibt, ist ein weitaus ambitionierterer Ansatz für die Sicherung der Rente unabdingbar. Viele andere Länder sind hier längst erfolgreich vorangegangen. Deutschland muss das Rad nicht neu erfinden.
Finanzierung der Rente durch Beiträge und nicht durch Staatsschulden
Angesichts knapper öffentlicher Kassen ist es dringend notwendig, die Finanzierung der Rente nicht nur über Schulden zu finanzieren. Das muss, wie in anderen Ländern, über Beiträge der kommenden Rentnergenerationen erfolgen. Die sogenannte Prämienrente der Schweden ist nur ein Beispiel, wie ein auf Rentenbeiträgen basierendes Ansparverfahren mit Aktien gelingen kann. Die Beschäftigten in Schweden legen seit Ende der 1990er Jahre 2,5 Prozent ihres Lohnes am Kapitalmarkt zu einem großen Teil in Aktien an. Den Erfolg zeigt zum Beispiel der AP 7 Såfa-Fonds, der von mehr als fünf Millionen Schweden im Rahmen ihrer Prämienrente genutzt wird. Mit einem Aktienanteil von rund 90 Prozent des Gesamtvermögens hat er in den vergangenen zwei Jahrzehnten eine Rendite von jährlich über zehn Prozent erwirtschaftet.
Das Altersvorsorgedepot – Das Ausland macht es besser!
Losgelöst von der Debatte, wie die gesetzliche Rente mit Aktienanlagen gestärkt werden kann, ist auch die dritte Säule in Form der privaten Altersvorsorge existenziell, um im Ruhestand finanziell gut aufgestellt zu sein. Um hier bessere Konzepte zu erarbeiten, hat die Bundesregierung die „Fokusgruppe private Altersvorsorge“ eingesetzt, die inzwischen ihren Abschlussbericht vorgelegt hat. Die Fokusgruppe schlägt unter anderem folgende Maßnahmen vor, deren Umsetzung deutlich mehr Aktienanlage in der privaten Altersvorsorge bedeuten würde:
- Nach dem Vorbild der US Individual Retirement Accounts (IRA) sollen auch in Deutschland Anlagen in Altersvorsorgedepots mit (Aktien-)Fonds und andere realwertorientierte Vermögensgegenstände möglich sein. Inzwischen liegt mehr als ein Drittel des US-Altersvorsorgevermögens von insgesamt knapp USD 40 Billionen in Individual Retirement Accounts. Der Aktienanteil eines Individual Retirement Accounts beträgt mehr als 65 Prozent und ist entsprechend renditestark.
- Die Fokusgruppe private Altersvorsorge schlägt zudem vor, dass Garantieanforderungen bei Fondsprodukten sowie reinen fondsgebundenen Versicherungsprodukten für die Altersvorsorge entfallen sollen. Das ist konsequent, denn Garantien haben in der Vergangenheit gerade in der Niedrigzinsphase einen höheren Aktienanteil in geförderten Altersvorsorgeprodukten verhindert und für enttäuschende Renditen gesorgt. Für die Sparerinnen und Sparer wurden sie deshalb unattraktiv. Auch der Blick ins Ausland zeigt, dass Garantien auf dem Rückzug sind.
- Schließlich sollen nach den Vorschlägen der Fokusgruppe die Hürden für Auszahlungspläne gesenkt werden, so dass in der Rentenphase Teile des Vermögens Jahr für Jahr entnommen werden können und der Rest renditestark investiert bleibt.
Kapitalmarktschub für die Unternehmensfinanzierung
Mit Aktienanlagen den Lebensstandard im Alter zu erhöhen, ist eine Seite der Medaille. Mehr Aktien in der Altersvorsorge bedeuten zudem, dass große Pensionsfonds und andere institutionelle Investoren in Deutschland entstehen. Diese investieren zwar global, aber ein Teil davon kommt auch der Finanzierung der einheimischen Wirtschaft zugute. So verwaltet beispielsweise der US-Pensionsfonds CalPERS das Altersvorsorgevermögen der Angestellten des öffentlichen Dienstes in Kalifornien. Von den knapp USD 500 Milliarden Altersvorsorgevermögen ist fast die Hälfte in Aktien angelegt. Rund 10 Prozent der Aktienanlage ist in Unternehmen aus Kalifornien, also auch in die Tech-Unternehmen aus dem Silicon Valley, investiert.
Der europäische Finanzkapitalismus funktioniert nicht. Wir müssen dafür sorgen, dass er einen neuen Sprung nach vorne macht, indem wir die Kapitalmarkt- und Bankenunion schaffen und nicht nur darüber reden.
Entsprechendes Kapital wird auch in Deutschland und Europa dringend benötigt. Die großen Herausforderungen wie Digitalisierung und Energiewende können angesichts knapper öffentlicher Kassen nicht allein vom Staat bezahlt werden. Dafür brauchen wir leistungsfähige Kapitalmärkte mit institutionellen Investoren wie Pensionsfonds. Zuletzt forderte sogar der Bundeskanzler mehr Einsatz für die Kapitalmarktunion und einen leistungsfähigen Kapitalmarkt: „Der europäische Finanzkapitalismus funktioniert nicht. Wir müssen dafür sorgen, dass er einen neuen Sprung nach vorne macht, indem wir die Kapitalmarkt- und Bankenunion schaffen und nicht nur darüber reden“, so Olaf Scholz.
Das Potenzial der Kapitalmärkte zur Finanzierung dieser Herausforderungen muss endlich auch in Deutschland gehoben werden. Die im internationalen Vergleich niedrige Zahl an börsennotierten Unternehmen und Börsengänge sprechen Bände. Die geringe Marktkapitalisierung aller börsennotierten Unternehmen widerspricht der Wirtschaftskraft Deutschlands. Mehr Aktien in der Altersvorsorge würden dem hiesigen Kapitalmarkt Schub verleihen.
Diskutieren Sie mit! Ist die Einführung des Generationenkapitals der richtige Schritt zur Modernisierung und Neuerung der gesetzlichen Rente?
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